Reservisten der Bundeswehr sollen die Polizei zur Aufstandsbekämpfung unterstützen dürfen. Eine erste Einheit ist nun in Bremen im Dienst.
HAMBURG taz
| Die Sicherheitsbehörden können in prekären Situationen künftig auf
militärische Unterstützung zurückgreifen, wenn polizeiliche Mittel nicht
ausreichend erscheinen. Aktuell stellt die Bundeswehr neue Einheiten im
Rahmen des sogenannten Heimatschutzes auf. Die Regionalen Sicherungs-
und Unterstützungskräfte (RSUKr) bestehen ausschließlich aus Reservisten
der Bundeswehr. „In Bremen hat die Kompanie schon im Juni ihren Dienst
aufgenommen“, bestätigt Oberstleutnant Uwe Roth vom
Bundesverteidigungsministerium.
Zum sogenannten Aufstellungsappell in
der Scharnhorst-Kaserne war eigens Verteidigungsminister Thomas de
Maizière (CDU) an die Weser gereist. In Bremen sei die Vorbereitung
schon so weit vorangeschritten gewesen, dass die Einheit einsetzbar sei,
sagt Roth. „An den anderen Orten werden die meisten Kompanien erst 2013
in Dienst gestellt.“
Die RSUKr-Einheiten werden insgesamt aus
2.700 Mann in 27 Kompanien bestehen, die den in den sechzehn
Bundesländern vorhandenen Landeskommandos der Streitkräfte unterstellt
sind. Offiziell ist die vorrangige Aufgabe, „die aktive Truppe“ im
Rahmen des Heimatschutzes zu unterstützen.
Verstanden
wird darunter ein Bündel von Maßnahmen wie die „Überwachung und
Gewährleistung der Sicherheit des deutschen Luft- und Seeraums“ sowie
die „Absicherung militärischer Anlagen im Inland“ ebenso wie beim
„Inneren Notstand“ nach der Definition der Notstandsgesetze, wenn
„Gefahr für den Bestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung“
bestehe.
Beim „Inneren Notstand“ bedarf es
jedoch des Einsatzbefehls der Bundesregierung auf der Basis einer
Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages, schreibt der Bremer Rechtsanwalt,
Publizist und Vizepräsident der Internationalen Liga für
Menschenrechte, Rolf Gössner, in seinem Aufsatz „Neue
Sicherheitsarchitektur für den alltägliche Ausnahmezustand?“.
Möglich ist jedoch der Einsatz
der RSUKr-Einheiten in Rahmen der „Amtshilfe“ zur Unterstützung der
Polizei beim „Schutz ziviler Objekte“, „zum Schutz kritischer
Infrastruktur“ und bei der „Bekämpfung organisierter und militärischer
bewaffneter Aufständischer“ oder „widerstrebender“ Bevölkerungsteile.
„Hier haben wir bereits ein Element der militärischen
Aufstandsbekämpfung als Unterstützungshilfe für die Polizei“, sagt
Gössner.
Nach einer Generalklausel der
Europäischen Union könnte der Amtshilfe-Einsatz auch beim politischen
Generalstreik gegen Versorgungseinrichtungen, gewaltsamen
Massenprotesten, sozialen Unruhen sowie Aktionen des zivilen Ungehorsam
durch Streiks und/oder Straßenblockaden im Transport- und Energie- oder
Gesundheitswesen möglich sein. Mit dieser Ausrichtung böten die neu
aufgestellten RSUKr „allen interessierten und geeigneten Reservisten
Chancen des Engagements“, wirbt die Bundeswehr.
Was mit der zivil-militärischen
Zusammenarbeit gemeint sein kann, haben die Protestler gegen den
G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm erfahren müssen, wo sich die Region im
Ausnahmezustand befand. Damals waren 2.500 Bundeswehrsoldaten, Tornados,
Awacs-Aufklärungsflugzeuge und Fuchs-Spürpanzer zur Aufklärung und
Abschreckung über oder in der Nähe der Camps im Einsatz. Marineboote und
-schiffe sicherten den Tagungsort seewärts ab.
Die RSUKr-Einheit für Hamburg wird
erst im Frühjahr 2013 einsatzbereit sein. Das bestätigt auch
Oberstleutnant Roth vom Verteidigungsministerium. Sie wird nach
taz-Information 150 Reservisten umfassen, die von Reserve-Offizieren der
Landesgruppe Hamburg des Verbandes der Reservisten ausgesucht werden.
Die Leute würden zurzeit „speziell gedrillt“, berichtet ein Insider:
„Die sind heiß drauf.“
Die innenpolitische Sprecherin der
Hamburger Linkspartei, Christiane Schneider, hält die Entwicklung mit
dem Aufbau der RSUKr-Einheit Hamburg für gefährlich. Schon jetzt seien
Bundeswehr-Reservisten in die Strukturen des Katastrophenschutzes
integriert. „Darüber kann man ja noch streiten“, sagt Schneider der taz,
„aber eine militärische Unterstützung der Polizei lehnen wir
kategorisch ab.“
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Die Bundeswehr ist längt keine
Verteidigungsarmee mehr. Nach ihrem Umbau zur Interventionsarmee steht
auch der Einsatz im Inneren immer mehr im Fokus.
Die Heimatschutz-Bataillone sind im Rahmen der Neuausrichtung 2007 aufgelöst worden.
Wegen politischer Bedenken zur zukünftigen
Gewährleistung des "Heimatschutzes" ist das Programm "Konzeption der
Reserve" beschlossen worden, das den Aufbau der Regionalen Sicherheits-
und Unterstützungskompanien aus Reservisten vorsieht.
Ihren Dienst aufnehmen sollen bundesweit die
Reservisten bis zum 1. April 2013. Dann soll die Truppe insgesamt aus
27 Kompanien mit einer Personalstärke von 2.700 Mann bestehen.
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