Inhalt:
Teil I Die Analysen
Der Autor über seine Schriften
Der Mensch ~ ein Geheimnis
Analyse des physischen Selbst
Analyse des emotionalen Selbst
Analyse des intellektuellen Selbst
Über die Zeit hinaus zu der Ewigkeit
Teil II Die Übungen
Kultur höherer Gefühle
Die Übung der Geistbeherrschung (30min sitzen)
Der Pfad der Selbsterforschung
Das Mysterium des Atems (5min atmen)
Das Mysterium des Auges (5min schauen)
Das Mysterium des Herzens
Das Überselbst
Das Überselbst in Tätigkeit
Die hohe Suche
Epilog
|| Das Überselbst || Analyse des intelektuellen Selbst
Durch ein Verfahren des Abschälens und Ablösens ist also die Analyse des Selbst bis zu dem Punkte der Erkenntnis vorgeschritten, wo das Ich als ein Einheit erkannt wurde, deren Kundgebungen eine geheimnisvolle Veränderlichkeit besitzen: eine Einheit, die leben, sich bewegen und ihr Wesen haben kann abseits vom physischen Körper, den Gemütsbewegungen und dem Intellekt - die letzteren immer vom Standpunkt des aller Inhalte und allen Ausdrucks baren Selbst aus gesehen. Wenn die Untersuchung auch ergeben hat, dass das gesuchte Selbst nicht in den Teilen des menschlichen Wesens wohnt, in denen wir es vermutet hatten, wenn es uns auch noch immer ausweicht, so wissen wir dennoch, dass es existiert; wir fühlen, dass unser Sein wirklich ist, viel wirklicher als irgend etwas anderes, dass im einzelnen beschrieben werden kann.
Wir müssen unser Denken nun über den Bereich der gewohnten Erfahrung hinausgehen lassen und anfangen, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass wir dieses Ich so, wie es wirklich ist, ohne irgendeine Vermengung mit Gedanken und Gefühlen und ohne Behinderung durch den fleischlichen Körper, untersuchen können. Wenige, wenn überhaupt irgend jemand, erwägen eine solche Möglichkeit jemals; und doch ist dies der Weg, auf dem wir die eigentliche Wahrheit über den Menschen finden können, wie auch die Befreiung von vielen Bürden, die unsere Seele infolge der Unkenntnis unserer wahren inneren Natur bedrücken.
Die Wirkung solcher analytischen Erwägungen, wenn sie bis zu diesem Punkt gebracht und nach genügender Zeit weitgehend verstanden werden, ist eine revolutionäres Erwachen im Geiste, ein Hervorgehen aus der Nacht in die frühe Morgendämmerung, Denn das Geheimnis des Selbst beginnt nun, sich in unbegrenzte Weiten auszudehnen. Die Möglichkeiten eines umfassenderen Lebens, die sich uns zu eröffnen scheinen, bringen ein Gefühl hervor, dass einem Schauer von Ehrfurcht und Erwartung verwandt ist. Denn gewöhnlich ist der Geist an den Körper gefesselt, und nur wenn er von dieser Gefangenschaft befreit wird, kann die Hoffnung auf ein höheres Leben aufgehen. S.115/116
...Der
nächste Schritt ist dann, diesen "Ich" Gedanken mit der ganzen Kraft
seiner Aufmerksamkeit zu isolieren und ihn für eine Weile
gefangenzuhalten. Man muss in sein Geheimnis eindringen und ihn zwingen,
die Antwort auf die schwierige Frage: "Was bin ich" auszuliefern.
S.122
...die Suche endet bei direkter Wahrnehmung.
et voila ? Los geht´s
Der allgemeine Begriff, dass das Bewusstsein seinen Sitz im Gehirn habe, ist nur eine bedingte Wahrheit. Das Gehirn ist nur der Sitz des reflektierten Bewusstseins, eine Rückstrahlung, die aus dem wahren Mittelpunkt, dem Herzen, stammt. Verstandeslicht ist nur geborgtes Licht, wie das des Mondes. Verstandbewusstsein ist sekundär. Herzbewusstsein ist primär: es ist die Sonne, die ihr eigenes Licht dem Mond des Verstandes mitteilt. Aber man sollte sich vor dem allgemeinen Irrtum hüten, dass unter Herzbewusstsein bloß Gefühle gemeint sind. Nichts könnte weiter von der eigentlichen Wahrheit entfernt sein.
Gerade wie in der letzten philosophischen Analyse die Wirklichkeit der materiellen Welt nur unsere mentale Vorstellung von ihr ist, so ist die Wirklichkeit des Intellekts nichts anderes als seine geheime Quelle, seine letztliche Unterstützung durch das Herz. Das unendliche Sein ~ der Quell alles unvergänglichen Lebens und aller Intelligenz ~ vollzieht seinen Eintritt in den Menschen durch das Herz, nicht durch den Kopf.
So
ist das persönliche Ego ins Dasein gekommen als ein Geschöpf, dass
seine ganze Kraft, zu leben, zu verstehen und sogar zu handeln,
ausschließlich von dem unpersönlichen Überselbst herleitet, dass aber
unglücklicherweise heutzutage dieser göttlichen Abstammung nicht mehr
bewusst ist. Es existiert in seiner eigenen Überzeugung als ein Wesen,
dass nur aus eigener Kraft lebt und sich bewegt; aber darin täuscht es
sich selbst. Ohne die geheime Verbindung mit seiner unsterblichen
Wesenheit, dem Überselbst, könnte es ein solches Dasein nicht einen
Augenblick weiterführen. Das Licht des Bewusstseins, durch das es die
materielle Welt versteht, mit Hilfe des Gehirns denkt und innerhalb des
Körpers arbeitet, ist nur ein geborgtes Licht, dass ihm von dem
immerwährenden Überselbst geliehen wurde. Das Leben, dass es eine Weile
innerhalb des physischen Körpers aufrechterhält, ist nur ein Tropfen aus
der unendlichen und unvergänglichen Kraft des Überselbst. Solange das
Ego seine Aufmerksamkeit dauernd nach außen gerichtet hält und immerfort
durch die Fenster der Sinne auf das materielle Universum blickt, wird
es in der Täuschung verharren, dass dieses materielle Universum, der
Körper und es selbst die Totalität des Lebens ausmachen.
S.284/85
Dieses verminderte Bruchstück ~ der ICHgedanke, das "Ich" ~, das in seinem Verständnis verdunkelt ist wie das abgeblendete Licht eines Autos, hat sich mit der physischen Gestalt, in der es sich findet, verbündet, ist mit der physischen Welt in Beziehung getreten und schaut immerfort durch die Fenster der 5 Sinne nach auswärts, wie eine hypnotisierte Person. Und dennoch, trotz der unermesslichen Verminderung seiner Kraft, der weitgehenden Beschränkung seines Bewusstseinsfeldes, bleibt es das einzige Verbindungsglied des Menschen mit seinem Überselbst, weil seine Abkunft göttlich ist und sein Stammbaum, wenn auch verborgen, noch existiert.
Wenn der Ichgedanke im Gehirn wohnt, ist er trotzdem dort nicht gänzlich isoliert. Es besteht eine Verbindungslinie mit dem Herzen, die Linie, auf der das Überselbst Licht und Leben für die Unterstützung des Egos sendet. Letzteres kann aus sich selbst nichts tun; denn es hängt von dieser Unterstützung ab. Es ist entstanden aus dem zeitlosen Überselbst und bleibt unwissentlich sein Kostgänger.
Daher gibt es noch immer einen Rückweg, eine Verbindung mit seinem Geburtsort. Wenn es aus seiner Verhaftung an die Außenwelt geweckt und bewogen werden könnte, sich einwärts und rückwärts zu wenden, den Weg zu seinem Ursprungsort zu verfolgen, würde es sich notwendig zu seinem Überselbst hin bewegen. Wäre dieses einmal gefunden, brauchte es nur in dauernder Verbindung mit dieser heiligen Quelle zu bleiben, um Nektar mit den Göttern zu schlürfen und glücklich zu sein. Deshalb muss es das Hauptanliegen aller echten spirituellen Übung sein, den menschlichen Geist dahin zu bringen, dass er sich von dem materiellem Universum weg nach innen wendet und durch solche Abgeschiedenheit in Meditation oder Gebet allmählich den Abstieg zum Herzen zurück unternimmt. Dann, und nur dann, wenn er seine Anmaßungen aufgegeben, sich auf seinen rechtmäßigen Platz zurückgezogen und sich pflichtschuldig und gehorsam dem pflichtlosen Überselbst ergeben hat, wird dieses den Menschen zu wirklich klarer Erkenntnis dessen befähigen, was er eigentlich ist ~ und ein anderes gibt es in Wirklichkeit nicht! Um diese Befreiung auszuführen, "brauchen wir das Schweigen der Kuh, die Einfachheit des Kindes, den selbstlosen Zustand des gänzlich erschöpften Menschen, den noch selbstloseren Zustand des tiefen Schlafes" bemerkte Sri Vidyaranya, ein Weiser, der im Westen noch unbekannt ist.
....Wen wir deshalb die Grenzen des Verstandes erreichen und sehen, dass wir nicht weiter können, so brauchen wir nur den Prozess der Entwicklung umzukehren, das Zentrum der bewussten Tätigkeit vom Sitz des Verstandes zu dem Sitz des Überselbst zu verlegen, um so die Grenzen zu überschreiten und unsern Horizont zu erweitern.
Dies bedeutet ~ mit anderen Worten ~, dass das Bewusstsein vom Gehirn hinab zu seinem ursprünglichen Sitz, dem Herzen, verlegt werden sollte!
S.285-87
...wenn das Herz erreicht worden ist
(kann man eine Art Wärme in dieser Gegend empfinden; durch irgendwelchen seltsamen Prozess inneren Schauens kann man sogar ein subtiles, feuriggoldenes Licht an der Stelle glühend sehen. Manchmal können diese Strahlen wie ein heller Blitz aufleuchten. Mittelalterliche römisch-katholische Maler haben gelegentlich die Jungfrau Maria und Christus mit einem flammenden Herzen dargestellt.)
In diesem sublimen Zustand erkennt man den Saum des glühenden Zentrums des menschlichen Geistes, und man erkennt, dass das Herz der wahre, obgleich verborgene Mittelpunkt des geistigen Lebens, der physischen Handlungen, überhaupt des gesamten Tuns des Menschen ist. Auf diese Weise wird man durch das Hinabsteigen des Bewusstseins vom Gehirn, wo es sich gewöhnlich aufhält, zum Herzen, in das einweihende Erleben des Überselbst geführt. So dringt man tief in sein eigenes Wesen ein und findest als Lohn Perlen seliger Harmonie und ewigen Lebens.
Was sich ereignet hat, ist, dass das Ego die richtigen Bedingungen vorbereitet hat für seine Trennung von der Identifizierung mit dem groben materiellen Körper und für seine Rückkehr zu seinem ursprünglichen Wohnsitz. Alles ist nun bereit für seine endliche und äußerste Unterwerfung. Auch diese Stufe ist schon außerordentlich erhaben, und die Flamme des spirituellen Lebens fängt nun hell an zu lodern. Die Gedanken wurden gehindert, sich nach außen zu betätigen; der Geist muss darum notgedrungen im Herzen erwachen.
...Das zurückgezogene Bewusstsein sollte sich nun ausschließlich mit sich selbst beschäftigen, abseits von den Berichten über äußere Dinge und fern von den Erinnerungen daran. Es sollte tief nach innen drängen und alle Gedanken fallen lassen. Es braucht nicht länger in bloßen Worten zu fragen: "Was bin ich?"; denn der Vorgang des tiefen Eindringens in das Herz bildet jetzt die letzte Formulierung dieser oft gestellten Frage. Es ist immer noch das Ego, dass die Anstrengung macht, obgleich es ein so verwandeltes Ego ist, dass es im Vergleich zum gewohnten nicht mehr erkennbar ist. In dieser vergeistigten Wendung nach innen und auf sich selbst, die es jetzt versucht, muss der Verstand gänzlich zum Schweigen gebracht, der Atem zurückgehalten, der Blick fest, aber gesenkt und die volle Kraft der Aufmerksamkeit auf den Nadelpunkt (ÜberselbstAtom) im Herzen konzentriert werden.
S.290/91/92
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