Was verleiht Neo in der
realen Welt die Macht Wächter zu stoppen? Wie keine andere Frage prägte
diese die Erwartungshaltung gegenüber Revolutions. Dass der Film neben
zahlreichen anderen auch auf sie eine Antwort schuldig zu bleiben
schien, trug dazu bei, dass sich etliche Fans schwer enttäuscht von der
Trilogie abwendeten. Die Matrixtrilogie lässt diese Frage nicht
unbeantwortet. Allerdings befindet sich die Antwort nicht auf der
Oberfläche: Es gibt keine rationale Erklärung, warum Neo in seinem Kampf
für die Menschheit und gegen die Maschinen in der realen Welt
übermenschliche Macht erlangt. Wer sich auf dieser Ebene auf die Suche
macht, wird keine befriedigende Antwort finden. Sie befindet sich in den
Tiefen des Subtextes. Die Trilogie kreiert einen eigenen, einen
abstrakten und in höchstem Maße konstruierten Kosmos: Dieser folgt
ebenso eigenen Gesetzmäßigkeiten und eigenen Regeln und orientiert sich
nicht am „realen“ und normalen Lebens da draußen. Innerhalb der Logik
des Matrixkosmos ist das Stoppen der Wächter in der realen Welt eine
konsequente Folge des Stoppens der Kugeln in der virtuellen Welt.
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Zwei Traumwelten
“In some ways, the posthumans running a simulation are like gods in relation to the people inhabiting the simulation.”
Nick Bostrom
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Wir leben in einer Computersimulation!
Es gibt eine Sphäre des Göttlichen!
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Es gibt eine Sphäre des Göttlichen!
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Diese beiden Aussagen über das Wesen der Realität sind so verschieden wie verwandt:
Inhaltlich sind sie gegensätzlich:
Betrachtet die erste Aussage diese Existenz als das Ergebnis eines
komplexen technischen Prozesses, der auf den Gesetzmäßigkeiten der
Naturwissenschaften beruht, so deutet die zweite Aussage sie als Produkt
eines Schöpfungsprozesses, initiiert in einer Ebene der Existenz, die
sich jenseits der naturwissenschaftlich erfassbaren Welt befindet.
Gleichzeitig verbindet diese zwei Aussagen eine Reihe von Implikationen.
Die erfassbare Realität liefert kein
vollständiges Bild eben dieser Realität. Die Welt, die wir mit unseren
Sinnen wahrnehmen oder messen können, zeigt uns nicht die ganze
Wahrheit. Ihre vermeintliche Vollständigkeit ist lediglich simuliert.
Jenseits des Beobachtbaren gibt es das Unbeobachtbare. Aus
kommunikationstheoretischer Perspektive betrachtet folgt eine
Kommunikation über Nick Bostroms Simulationsargument den gleichen
Mechanismen wie eine Kommunikation über die Existenz des Göttlichen. In
beiden Fällen wird über Immanenz unter dem Gesichtspunkt der
Transzendenz reflektiert, über Ebenen der Existenz, die jenseits unserer
Wahrnehmungen liegen.
Die beiden Modelle überschneiden
sich zudem hinsichtlich der Existenz eines Schöpfers und der
Selbstcharakterisierung des Menschen als dessen Geschöpf. Wir sind
unwissende Geschöpfe und vermögen nicht zu erkennen, was sich jenseits
der Grenzen unserer Wahrnehmung befindet, warum oder wofür wir
erschaffen worden sind, welche Funktion oder Sinn dieses Leben hat oder
welche Pläne unsere Schöpfer für uns haben. Dieses uns Übergeordnete
bildet die Grundlage, das Fundament unserer Existenz. Unsere Ebene wurde durch diese andere Ebene geformt.
Die Grundlage unserer Existenz, die beobachtbare, die immanente
Realität, ist nur ein Abglanz des maßgeblichen, des erschaffenden und
jenseitigen Kosmos.
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Die Überwindung der Illusion
“The Matrix is an exploration of consciousness.”
Larry Wachowski
Der Glaube an eine simulierte
Existenz sowie der Glaube an eine Sphäre des Göttlichen implizieren
zudem das gleiche erkenntnistheoretische Problem: Wie können wir auf das
Vorhandensein anderer Ebenen der Existenz schließen, die jenseits
unserer Wahrnehmungen liegen? Wie lässt sich die Illusion überwinden?
Nick Bostrom begründet sein Simulationsargument mit Hilfe der Logik. Er
schlussfolgert aus dem Zustand dieser Welt und ihrem Stand der
technischen Entwicklung, dass wir höchstwahrscheinlich in einer Simulation leben – sollte eine solche technisch möglich sein.
In der Matrixtrilogie sind Emotionen
und nicht Logik die treibende Kraft hinter den Zweifeln. Die im Inneren
des Bewusstseins stattfindende Wahrnehmung der Welt und die Beobachtung
der äußeren Welt sind nicht mehr deckungsgleich. Die Empfindungen
verweisen auf etwas jenseits des Beobachtbaren und erzeugen einen
Ungleichgewichtszustand zwischen innen und außen. Widersprechen sich
Wahrnehmung und Beobachtung, muss eine Hierarchisierung vorgenommen
werden. Wem soll vertraut werden? Dem Sichtbaren, dessen Oberfläche wir
nachspüren und die wir objektiv verifizieren können? Oder dem
Unsichtbaren, dem immateriellen Inneren unseres Bewusstseins und damit
unseren ureigenen Gefühlen? Hoffungslos der vollkommenen Subjektivität
ausgeliefert? Wenn eine Beobachtung der äußeren Wirklichkeit die innere
nicht zu erklären vermag, dann scheint eine Beobachtung der inneren
Wirklichkeit von Nöten, eine Selbsterforschung des eigenen Bewusstseins.
Nicht die Beobachtung des beobachtbaren Äußeren, sondern die
Selbstbeobachtung des Inneren unseres Bewusstseins könnte sich als Weg
zur Erkenntnis herausstellen.
Das ist die Geschichte, die Matrix
erzählt. In einem Bewusstsein macht sich ein Bestandteil eben dieses
Bewusstseins auf die Suche nach Erkenntnis und unternimmt dafür eine
Reise durch die wundersame Welt der eigenen Wahrnehmungen und ihrer
Deutungsmöglichkeiten. Der Weg dieses Helden ist erfolgreich. Schicht
für Schicht überwindet er nicht überschreitbare Grenzen der Wahrnehmung.
Er erkennt das nicht zu Erkennende, das Unbeobachtbare und löst den
Widerspruch zwischen innen und außen auf.
Die Trilogie erzählt diese Geschichte zweimal:
Wir leben in einer Computersimulation!
Im ersten Film befindet sich Neo in
einer Computersimulation. Seine vollkommene Befreiung aus dieser
Illusion schildert der Film als Entwicklung, die sich in mehreren,
aufeinander aufbauenden Schritten vollzieht.
Es gibt eine Sphäre des Göttlichen!
In den Fortsetzungen durchlebt Neo ein zweites Mal die gleiche Entwicklung, die sich in den gleichen Schritten vollzieht. Die Illusion, aus der sich Neo befreit, ist die materielle Beschaffenheit der realen Welt.
Auch hier gilt wieder: Erst eine
vergleichende Betrachtung der Parallelen ergibt das ganze Bild: Die
Wachowskis nutzen die beschriebenen Parallelen zwischen einer
Computersimulation und dem Glauben an eine – wie auch immer geartete –
Sphäre des Göttlichen. Neo entflieht einer Illusion. Diese Flucht macht
ihn frei, er findet zu sich selbst und erlangt innerhalb der als
Illusion erkannten Welt eine umfangreiche Macht. Es ist offensichtlich,
dass der erste Film diese Geschichte erzählt. Die Fortsetzungen erzählen
diese Geschichte ein weiteres Mal und heben sie zugleich auf eine
andere Ebene. Dieser Umstand ist alles andere als offensichtlich. Zu
erkennen gibt er sich wiederum nur durch eine Aufdeckung der Parallelen.
Matrix erklärt die Logik des Geschehens, die Fortsetzungen verwenden
die gleiche Elemente (wenn auch in abweichender Chronologie) und geben
damit zu erkennen, dass sie ebenfalls der im ersten Film dargestellten
Logik folgen.
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Die erste Traumwelt
Neo wird vor die Wahl gestellt …
… Verbleiben in einem bekannten aber
versklavenden System oder unbekannte aber Erkenntnis verheißende
Freiheit. Er entscheidet sich für die Freiheit.
Sie zeigt sich in unerwarteter Gestalt …
… zum ersten Mal in seinem Leben
werden seine Sinnesorgane nicht getäuscht. Er sieht die Welt, wie sie
ist und erkennt die materielle Wirklichkeit jenseits der virtuellen
Illusion …
… vor dem Tod durch Ertrinken gerettet entschwindet Neo im Licht und …
... erwacht in einer neuen und unbekannten Welt ...
… sein Verstand und sein Körper wurden zusammengeführt.
Später kehrt Neo aus der realen
Welt zurück in die Matrix. Er weiß jetzt, welche Realitätsebenen
existieren und in welchem Verhältnis diese Ebenen zueinander stehen.
Dieses Wissen verleiht ihm bereits mehr Macht in der virtuellen Welt der
Matrix. Erkennen kann er sie jedoch noch nicht; sie zeigt sich ihm
weiterhin als Illusion …
… seine Augen haften an der Oberfläche, noch kann er sie nicht durchdringen. Seine Wahrnehmungen bleiben getäuscht.
Um herauszufinden, wer er ist, stellt sich Neo seinem Gegner …
… und stirbt, in der virtuellen wie auch in der realen Welt.
Aus der Welt der Toten zurückgekehrt erleben Neos Wahrnehmungen einen Transformationsprozess …
… er transzendiert die Oberfläche
der Illusion und erkennt die Täuschung. Das Unbeobachtbare, der Code,
das Fundament auf dem die Matrix aufbaut, wird für ihn wahrnehmbar. Er beobachtet das Unbeobachtbare.
Auf die Erkenntnis folgt die Macht.
Sein Erkennen des Unbeobachtbaren, geht einher mit der Macht das
Beobachtbare zu ändern. Er wird in die Lage versetzt, alles nach seinen
Vorstellungen zu gestalten. So erlangt er die Fähigkeit …
… auf ihn gerichtete Kugeln zu stoppen …
… und zu Fall zu bringen.
Neo
wird mächtiger als die bisherigen Herrscher der Matrix. Mit der
Vernichtung von Smith und der Vertreibung der Agenten beendet Neo ihre
Herrschaft über die Matrix.
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Die zweite Traumwelt
Neo wird vor die Wahl gestellt …
… Verbleiben in einem bekannten,
aber versklavenden System oder Freiheit in einer unbekannten,
gefährlichen Zukunft außerhalb des Systems. Neo entscheidet sich für die
Freiheit.
Diese
Freiheit zeigt sich in unerwarteter Gestalt. Sie verleiht Neo Macht,
das Beobachtbare der materiellen, der realen Welt zu ändern. Ohne dass
Neo das Warum erkennen kann, erlangt er die Fähigkeit …
… ihn angreifende Wächter zu stoppen …
… und zu Fall zu bringen.
Dies verursacht eine Trennung seines Verstandes von seinem Körper.
… er erwacht in einer neuen und unbekannten Welt.
Später kehrt Neo aus der
Zwischenwelt zurück in die Matrix. Den Code der Matrix erkennend ist ihm
nun die reale Welt ein Rätsel geworden. Sein vermeintliches Wissen
darüber, welche Realitätsebenen existieren und in welchem Verhältnis
diese Ebenen zueinander stehen, präsentiert sich ihm nun als Illusion …
… haften seine Augen außerhalb
der Matrix weiterhin an der Oberfläche und können sie noch nicht
durchdringen? Bleiben seine Wahrnehmungen getäuscht?
Eine Antwort auf diese Frage findet Neo im Verlauf eines Kampfes mit seinem Gegner …
… bei dem er seine Augen und damit die Fähigkeit die materielle Welt wahrzunehmen verliert …
… die, wie sich bald herausstellt, nicht die einzige wahrnehmbare Welt ist.
Seine Wahrnehmungen erfahren einen Transformationsprozess …
… er transzendiert die Oberfläche der materiellen Welt. Er erkennt, dass sie eine Täuschung ist, eine Illusion. Das Unbeobachtbare, das Fundament auf dem die Matrix aufbaut ist, wird für ihn wahrnehmbar. Er beobachtet das Unbeobachtbare.
Es zeigt sich in unerwarteter Gestalt …
… seine Sinnesorgane täuschen ihn
nicht mehr. Er sieht die Welt, wie sie ist und erkennt die Wirklichkeit
jenseits der materiellen Illusion …
Neos Erkennen des Unbeobachtbaren
ging zuvor bereits einher mit der Macht das Beobachtbare der
materiellen Welt zu ändern. Nun erlangt er die Fähigkeit die Matrix zu
ändern. Er vernichtet den bisherigen Herrscher der Matrix, Smith …
… und kreiert eine neue Matrix geschaffen nach seinen Vorstellungen …
… er überwindet seinen Tod in der materiellen Welt und entschwindet im Licht.
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Selbstreflexive Traumwelten
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System und Freiheit
◄ Neo wird vor die Wahl gestellt:
Verbleiben in einem bekannten aber versklavenden System oder unbekannte
aber Erkenntnis verheißende Freiheit. Er entscheidet sich für die
Freiheit.
► Neo wird vor die Wahl gestellt:
Verbleiben in einem bekannten aber versklavenden System oder Freiheit
in einer unbekannten, gefährlichen Zukunft außerhalb des Systems. Neo
entscheidet sich für die Freiheit.
________________________
Erwachen
◄ Neo erwacht in einer neuen und unbekannten Welt: In der materiellen Wirklichkeit der realen Welt.
► Neo erwacht in einer neuen und unbekannten Welt: In der immateriellen Wirklichkeit einer Zwischenwelt.
_________________________
Trennung und Vereinigung
◄ Bei ihrem Bestreben Neo zu
befreien, wissen die Rebellen zwar den Standort von Neos Verstand,
seinen Körper aber gilt es erst zu finden. Nach der erfolgreichen Suche
werden sein Verstand und sein Körper erstmalig zusammengeführt. Neos
Verstand wird zum ersten Mal mit den realen, nicht nur simulierten
körperlichen Einflüssen auf sein Bewusstsein konfrontiert. Körper und
Verstand werden eine Einheit.
► Bei ihrem Bestreben Neo zu
befreien, wissen die Rebellen zwar den Standort von Neos Körper, seinen
Verstand aber gilt es erst zu finden. Nach dem Angriff der Wächter sind
sein Verstand und sein Körper erstmalig ohne jegliche materielle
Verbindung. Neos Verstand existiert unabhängig von seiner materiellen
Trägersubstanz und beginnt die materielle Wirklichkeit zu
transzendieren. Die Einheit von Körper und Verstand löst sich in seine
Bestandteile auf.
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Ebenen der Illusion
◄ Neo kehrt aus der realen Welt
zurück in die Matrix. Er weiß jetzt, welche Realitätsebenen existieren
und in welchem Verhältnis diese Ebenen zueinander stehen. Dieses Wissen
verleiht ihm zwar Macht in der virtuellen Welt der Matrix, erkennen kann
er sie jedoch nicht. Sie zeigt sich ihm weiterhin als Illusion. Seine
Augen haften an der Oberfläche, noch kann er sie nicht durchdringen.
Seine Wahrnehmungen bleiben getäuscht.
► Neo kehrt aus der Zwischenwelt
zurück in die Matrix. Den Code der Matrix erkennend ist ihm nun die
reale Welt ein Rätsel geworden. Sein vermeintliches Wissen darüber,
welche Realitätsebenen existieren und in welchem Verhältnis diese Ebenen
zueinander stehen, präsentiert sich ihm nun als Illusion. Haften seine
Augen außerhalb der Matrix weiterhin an der Oberfläche und können sie
noch nicht durchdringen? Bleiben seine Wahrnehmungen getäuscht?
_________________________
Wahrnehmungsverluste
◄ Neo stellt sich seinem Gegner und stirbt, in der virtuellen wie auch in der realen Welt.
► Neo stellt sich seinem Gegner
und verliert seine Augen und damit die Fähigkeit die materielle Welt
wahrzunehmen, die, wie sich bald herausstellt, nicht die einzige
wahrnehmbare Welt ist.
_________________________
Täuschende und getäuschte Sinne
◄ Die Welt jenseits des versklavenden Systems zeigt sich in unerwarteter Gestalt. Neos Sinnesorgane werden nicht mehr getäuscht. Er sieht die Welt, wie sie ist und erkennt die materielle Wirklichkeit jenseits der virtuellen Illusion.
► Die Welt jenseits des versklavenden Systems zeigt sich in unerwarteter Gestalt. Neos Sinnesorgane täuschen ihn nicht mehr. Er sieht die Welt, wie sie ist und erkennt die Wirklichkeit jenseits der materiellen Illusion.
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Transformationen
◄ Aus der Welt der Toten
zurückgekehrt, erleben Neos Wahrnehmungen einen Transformationsprozess:
Er transzendiert die Oberfläche der Illusion und erkennt die Täuschung.
Das Unbeobachtbare, der Code, das Fundament, auf dem die Matrix aufbaut,
wird für ihn wahrnehmbar. Er beobachtet das Unbeobachtbare.
► Ohne sein Augenlicht erfahren
Neos Wahrnehmungen einen Transformationsprozess: Er transzendiert die
Oberfläche der materiellen Welt. Er erkennt, dass sie eine Täuschung
ist, eine Illusion. Das Unbeobachtbare, das Fundament, auf dem die reale
Welt aufbaut ist, wird für ihn wahrnehmbar. Er beobachtet das Unbeobachtbare.
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Kugeln und Wächter
◄ Neos Erkennen des
Unbeobachtbaren geht einher mit der Macht das Beobachtbare zu ändern. So
erlangt er die Fähigkeit auf ihn gerichtete Kugeln zu stoppen und zu
Fall zu bringen.
► Neos Erkennen des
Unbeobachtbaren geht einher mit der Macht das Beobachtbare zu ändern. So
erlangt er die Fähigkeit ihn angreifende Wächter zu stoppen und zu Fall
zu bringen.
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Smith’ Ende
◄ Neos wird mächtiger als die
bisherigen Herrscher der Matrix. Mit der Vernichtung von Smith und der
Vertreibung der Agenten beendet Neo ihre Herrschaft über die Matrix.
► Zurück in der Matrix erlangt
Neo nun auch die Macht den bisherigen Herrscher der Matrix, Smith, zu
vernichten und dessen Herrschaft über die Matrix zu beenden.
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Die Erfüllung der Prophezeiung
◄ Neo wird in die Lage versetzt, zu verändern, was immer er will. Er kann alles nach seinen Vorstellungen gestalten.
► Neo erlangt die Fähigkeit zu verändern, was immer er will. Er kann die Matrix nach seinen Vorstellungen neu erschaffen.
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Entschwinden im Licht
◄ Vor dem Tod durch Ertrinken gerettet, entschwindet Neo im Licht. Er erwacht in einer neuen unbekannten Welt.
► Neo überwindet seinen Tod in der materiellen Welt und entschwindet im Licht. Erwacht er in einer neuen unbekannten Welt?
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Erkenntnis und Macht
„Don’t think you are, know you are! “
Morpheus
Morpheus
Der Schlüssel zum Verständnis von
Neos Fähigkeiten in der realen Welt sind die Ereignisse im Flur am Ende
des ersten Films. Bereits sie erzählen ein wundersames Geschehen, für
das der Film keine rational-logische Erklärung bietet: Neo stirbt sowohl
in der virtuellen Matrix als auch in der realen Welt. In den bekannten
Realitäten ist er tot und in beiden wird sein Tod verifiziert! Doch
durch ein Wunder kehrt er zurück in die Welt der Lebenden: Trinitys
Liebe, symbolisiert durch einen Kuss, rettet ihn. Neo kann nicht tot
sein … Trinity liebt ihn. Nach der ersten Wiedergeburt im Kraftwerk wird
er ein weiteres Mal neu geboren. Er vollzieht den vorerst letzten
Schritt einer Entwicklung, die mit seiner Befreiung aus der Matrix
begonnen hatte. Diese Befreiung veränderte seine Wahrnehmung, damit
seine Vorstellung vom Wesen der Realität und auch von sich selbst. Zudem
erweiterte dieser Prozess seine Fähigkeiten. Wie alle Rebellen erreicht
Neo durch das Überwinden der Grenzen der Simulation, durch ihre
Betrachtung von außen und damit durch das Wissen um ihren wahren
Charakter Macht innerhalb der Simulation, die über die der Unwissenden
hinausgeht. Zum Auserwählten, der Kugeln stoppen und Smith besiegen
kann, wird Neo erst, als er einen Schritt weiter geht. Er stirbt, wird
gerettet und überschreitet erneut die Grenzen der Simulation: Diesmal ohne sie zu verlassen, von innen heraus und als Ausdruck einer inneren Entwicklung.
Bestaunte er auf dem Weg zum Orakel noch ungläubig die
Oberflächenperfektion der Scheinwelt, so durchschaut er sie nun. Er
blickt durch sie hindurch und sieht den ihr zugrunde liegenden Code. Der
wiedergeborene Neo unterscheidet sich in erster Linie von seinem
früheren Ich durch eine veränderte Wahrnehmung! Seine Sinnesorgane
werden nicht mehr getäuscht. Wusste er zuvor um das wahre Wesen der
Matrix, so erkennt er es nun. Scheinbar nicht überschreitbare Grenzen
der Wahrnehmung werden überschritten; es wird in zuvor unerreichbare
Sphären der Realität vorgedrungen und die nächst höhere Ebene der
Erkenntnis erreicht. Neo muss sich nicht mehr selbst darauf hinweisen,
dass der Löffel nicht existiert. Das Unbeobachtbare wird für ihn
beobachtbar. Aus Wissen wird Erkenntnis! Diese Erweiterung der
Wahrnehmung und die damit einhergehende Erkenntnis und Selbsterkenntnis
sind es, die Neo in der Matrix die Macht verleihen Kugeln zu stoppen und
Smith zu besiegen: die Matrix nach seinen Vorstellungen zu verändern.
Erkenntnisgewinn impliziert
Machtgewinn in der Welt der Matrixtrilogie. Innerhalb der Logik eines
Kosmos, in dem die Akteure verschiedene, sich im Widerstreit befindliche
Bereiche eines um Selbsterkenntnis ringenden Bewusstseins
symbolisieren, ist es konsequent, wenn eine Erweiterung des Wissens und
der Erkenntnis einher geht mit einer Erweiterung der Macht. Je
deutlicher Neo die verschiedenen Ebenen der Realität und dabei auch sich
selbst erkennt, umso mächtiger wird er.
Handelt es sich um ein
mystisch-wundersames Geschehen oder gibt es für diese Entwicklung Neos
eine rationale Erklärung? Die Inszenierung des Geschehens lassen
eigentlich kaum Zweifel daran, dass die einzige und hinreichende
Erklärung dieses Geschehens von Morpheus stammt: „He is the one!“ Der
prophezeite wiederkehrende Befreier der Menschheit ist gekommen. Die
Makrostruktur der Trilogie beruht auf Hegels Dialektik. Matrix ist die
Ausgangsthese: Neo ist der Auserwählte, der die Matrix nach seinen
Vorstellungen verändern kann. In jeder These ist die Antithese mit
enthalten: Das Geschehen wird in eine virtuelle Realität eingebettet
erzählt. Mouse erkannte bei Neo doch überdurchschnittliche
Telekinetikwerte, die eine rationale Erklärung für seine Kräfte sein
könnten. Diese Antithese formuliert Reloaded aus: Die Prophezeiung wird
als Unterkontrollsystem einer rein rational erklärbaren Realität
entlarvt; alles Übernatürliche wird scheinbar als Illusion entlarvt.
Revolutions dagegen reaktiviert die Ausgangsthese von Matrix und hebt
sie zugleich auf eine höhere Ebene der Erkenntnis. Aus dieser
Perspektive betrachtet heben sich die Widersprüche auf: Neo ist nicht
der Auserwählte des dogmatischen Systems der Prophezeiung und erfüllt
trotzdem die hinter dieser Konstruktion steckenden Hoffnungen. Er ist
der eine, der mittels eines mystischen Geschehens jenseits jeglicher
Rationalität die Menschheit befreit. Die Fortsetzungen erzählen die
Geschichte von Neos Erweiterung seiner Wahrnehmung, seiner Erkenntnis
und Selbsterkenntnis und die daraus resultierende zusätzliche Macht die
Gegner zu besiegen und die Matrix nach eigenen Vorstellungen zu
verändern noch einmal. Sie vollziehen einen zweifachen Ebenenwechsel:
Das Geschehen wird von der virtuellen in die reale Welt verlagert. Seine
Bedeutung erschließt sich nicht mehr aus der Perspektive der
Oberflächenhandlung, sondern nur auf der Ebene des Subtextes und der
Substruktur.
Um die Parallelität zwischen Neos
Entwicklung im ersten Film und in den Fortsetzungen zu verdeutlichen,
erzählen die Wachowskis beide Handlungsstränge mit den gleichen
Elementen. Neo erblindet, ein Wunder geschieht, der Verlust seines
Augenlichtes schenkt Neo eine andere Form der Wahrnehmung. Er
transzendiert den äußeren Schein und sieht den Dingen auf den Grund.
Unter der materiellen Oberfläche befindet sich eine weitere immaterielle
Ebene. Nicht Materie sondern Geist ist die Basis dieses Daseins.
Entsprechend parallel sind Neos erweiterte Wahrnehmungen gestaltet.
Durch das Parallelisieren der
programmierten Simulation und der materiellen Welt legen die Wachowskis
ihr eigenes Wirklichkeitsbild offen. Sie glauben an eine Wirklichkeit
jenseits des Materiellen. Für einen Bestandteil des im Subtext
symbolisierten Bewusstseins wird aus einem entsprechenden Glauben
Erkenntnis. Nachdem sich Neo aus dem Gefängnis für den Verstand – die
materialistische Wirklichkeitskonstruktion des Architekten – befreit
hat, verschafft ihm dies einen freien und ungetrübten Blick auf das
Wesen der Wirklichkeit. Er vermag durch den äußeren Schein der
materiellen Wirklichkeit hindurch zu sehen und die ihr zugrunde liegende
immaterielle Realität „mit seinen eigenen Augen“ zu erkennen. In der
realen Welt des Matrixkosmos gilt die gleiche Logik wie in der
virtuellen: Erkenntnisgewinn geht einher mit Machtgewinn! Auch in der
realen Welt gibt es keinen Löffel, auch hier ist die Oberfläche eine
Simulation, auch hier verleiht ihm diese Erkenntnis die Macht, Wächter
zu stoppen.
„The power of the One extends beyond this world. It reaches here all the way back to where it came from.”
“Where?”
“The Source.
“Where?”
“The Source.
That’s what you felt when you touched those Sentinels.
But you weren’t ready for it.”
Das Orakel & Neo
Das Orakel & Neo
Neos Fähigleiten in der realen Welt
bleiben nicht unerklärt. Sie folgen einer Logik. Allerdings folgen sie
nicht der Logik der Oberfläche. Sie folgen der eigenen und abstrakten
Logik eines Filmprojekts, das Bewusstseinsprozesse mittels einer Science
Fiction Geschichte erforschen will und diese in Form von sich
konzeptionell an Hegels Dialektik anlehnenden Mustervariationen erzählt.
Die Filme simulieren nicht real vorstellbares Geschehen, sie
konstruieren eine eigene Bedeutungswelt ausgestattet mit einem eigenen
visuellen Vokabular.
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