Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Wir werden sehen wie wichtig es ist die radikale Revolution in den Köpfen der Menschen zu verursachen. Die Krise ist eine Krise des Bewusstseins. Ein Krise, die nicht mehr die alten Normen akzeptieren kann, die alten Muster, die uralten Traditionen. Wenn man in Betracht zieht, was die Welt jetzt ist, mit all dem Elend, den Konflikten, der zerstörerischen Brutalität, Aggressionen usw. Der Mensch ist immer noch wie er war. Er ist immer noch brutal, zerstörerisch, aggressiv, habgierig, wetteifernd. Er hat eine Gesellschaft darauf aufgebaut.

Dienstag, 8. November 2016

Charles Eisenstein / Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich / Chapter 17/18/19

Chapter 17: Dringlichkeit
Der Mann sagte ungefähr Folgendes (hier noch mit den Worten meines eigenen inneren Kritikers ausgeschmückt):
Wie können Sie vorschlagen, dass wir auch nur einen Moment stillsitzen sollten? Jetzt ist eine entscheidende Zeit für Taten. Wissen Sie denn nicht, dass selbst in diesem Moment, wo wir hier bequem sitzen, U.S. Agenten unschuldige Menschen entführen und sie verschicken, damit sie gefoltert werden? Wissen Sie nicht, dass, selbst während wir hier reden, riesige Massentierhaltungsbetriebe Tiere schlachten und ihr Abwasser in die Flüsse pumpen? Gut und schön, dass Sie hier weiter darüber schwafeln, dass wir unsere kulturellen Geschichten ändern sollten, aber dort draußen hungern Kinder. Was werden Sie sagen, wenn eines von ihnen Sie fragt, was Sie an diesem Samstag Nachmittag getan haben, als das Paramilitär seine Familie tötete? Wie können Sie mit sich selbst leben, wenn Sie nicht jeden Augenblick, den Sie nicht schlafen, der Gerechtigkeit auf Erden widmen? Wir haben keine Zeit zu verschwenden. Wir haben keine Zeit für Nachgiebigkeit. Wir haben keine Zeit herumzusitzen und zu reden, keine Zeit Filme anzuschauen, keine Zeit zum Spielen. Wenn auf der Wiese gegenüber Verbrecher junge Mädchen quälten und vergewaltigten, dann würden wir nicht herumsitzen und über Dinge reden, würden keine Workshops über die Wiedereroberung des Spielens abhalten, und wir würden keine Freiwilligen aufstellen, die “empathisches Zuhören” praktizieren. Wir würden losgehen und sie aufhalten. Nun – das passiert genau jetzt, nur ein bisschen außerhalb der Sichtweite. Und weil Sie es nicht direkt sehen, tun Sie so, als passierte es nicht. Tut mir leid, aber ich fürchte, all dieses Gerede ist nichts als widerliche Heuchelei. Ihr Lebensstil ist auf allen Linien an der fortdauernden Plünderung des Planeten mitbeteiligt, und Sie machen sich vor, dass Ihre Worte Sie irgendwie von Ihrer Schuld freisprechen. Hören Sie auf uns etwas vorzumachen! Heben Sie ihren Arsch und machen Sie etwas dagegen.
Ich möchte dieser Sichtweise jene eines Stammesälteren der Dogon gegenüberstellen, den meine Freundin Cynthia Jurs über die Dringlichkeit befragte. Cynthia war in Mali, um an einem Earth Treasure Vase Ritual für Frieden und ökologische Heilung teilzunehmen. Sie fragte ihn, wie die Bedrohungen für unseren Planeten – Abholzung, Klimawandel etc. – und die Bedrohungen durch Machtmissbrauch seinen Stamm und dessen Lebensweise beeinflussten. “Empfinden Sie nicht ein dringliches Bedürfnis etwas dagegen zu tun?” Der Mann kannte die Bedrohungen sehr gut und wusste, dass die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist, aber er sagte: “Sie verstehen das nicht. So etwas wie Dringlichkeit haben wir hier nicht.”

Meine Freunde, wer ist der Weisere, dieser “primitive” Dogon Stammesältere oder der junge Mann in Florida? Ist das wieder so ein Fall, in dem es der zivilisierte Mann mit seinen Uhren, Kalendern und seinem linearen, auf Knappheit basierenden Denken besser weiß? Müssen wir die Dogon belehren? Oder könnte es sein, dass der Schlüssel für unsere Rettung nicht im Repertoire der Seinsweisen gefunden werden kann, die wir, die Zivilisierten, bestens beherrschen? Könnte es sein, dass wir von den Indigenen etwas Grundlegendes zu lernen haben? Ist es möglich, dass unser einziger Weg aus diesem Schlamassel der ist, unsere eigene indigene Seele wiederzuerlangen, wie es Martín Prechtel formuliert?

Es ist wahr, wenn ein Kind im Nebenraum missbraucht würde, dann schriebe ich diese Worte jetzt in diesem Moment nicht. Ich würde körperlich handeln, und ich wüsste genau, was zu tun ist. Aber das auf unsere gegenwärtigen makroskopischen Umstände zu übertragen wäre eine falsche Analogie, weil wir auf einer globalen Ebene nicht wissen, was zu tun ist.

...Es gibt eine Zeit zu handeln und eine Zeit zu warten, zuzuhören und zu beobachten. Dann können Einsicht und Klarheit zunehmen. Aus der Einsicht erwächst ein Handeln, das sinnvoll, fest und kräftig ist.  

...Ich schriebe dieses Buch nicht, wenn auf das Artenschutzabkommen, das Luftreinhaltungsgesetz und das Wasserschutzgesetz der frühen 1970er Jahre hier und auf der ganzen Welt noch wirkungsvollere Gesetze gefolgt wären. Ich schriebe nicht, wenn unsere Erkenntnis von Rassismus und wachsender sozialer Ungerechtigkeit in den 1960ern zur Umgestaltung unseres Wirtschaftssystems geführt hätte. Ich schriebe nicht, wenn 1980 die wissenschaftliche Erkenntnis über globale Erwärmung zu einer raschen Trendumkehr beim Verbrauch fossiler Brennstoffe (und nicht zum Gegenteil) geführt hätte. Die Zerstörung des Planeten und der Menschen ist nicht zum Stillstand gekommen, ja sie hat sich nicht einmal verlangsamt. Welche Strategien und Taktiken wir auch angewendet haben, sie waren wirkungslos. Weder konnte der Feuerlöscher das Inferno löschen, noch lenkte unser Rufen von den Dächern die Aufmerksamkeit der Feuerwehr auf uns. 

...“Du kannst nicht einfach nur das tun, wonach Dir ist.” “Du kannst nicht einfach nur das tun, was Dir gefällt.” “Du musst lernen, dich zu beherrschen.” “Du bist nur daran interessiert, Deine eigenen Wünsche zu befriedigen.” “Du kümmerst Dich um nichts anderes als um Dein eigenes Vergnügen.” Können Sie die Wertung in diesen Ermahnungen hören? Sehen Sie, wie sie die Mentalität der Herrschaft reproduzieren, nach der unsere Zivilisation funktioniert? Das Gute kommt durch Unterwerfung. Gesundheit kommt durch die Ausmerzung der Bakterien. Die Landwirtschaft wird verbessert, indem die Schädlinge eliminiert werden. Die Gesellschaft wird sicher gemacht, indem man den Krieg gegen das Verbrechen gewinnt. Auf meinem Spaziergang gestern sprachen mich Studenten an und fragten, ob ich mich dem “Kampf” gegen Kinderkrebs anschließen möchte. Es gibt so viele Kämpfe, Kreuzzüge, Kampagnen, so viele Aufrufe, den Feind mit Gewalt zu besiegen. Kein Wunder, dass wir dieselbe Strategie auch gegen uns selbst anwenden. So kommt es, dass die innerliche Verwüstung der westlichen Psyche sich genau mit der äußeren Verwüstung deckt, die sie auf dem Planeten angerichtet hat. Wären Sie nicht gerne Teil einer anderen Art von Revolution?


Chapter 18
Wie ich ausführen werde, ist es keine triviale Angelegenheit, diese Gewohnheiten des Sehens, Denkens und Tuns zu verändern. Erst einmal müssen sie sichtbar gemacht werden. Dann müssen wir die Veränderung auf eine Art und Weise angehen, die nicht selbst wieder zu diesen Gewohnheiten gehört – und so viele unserer Vorstellungen über Herangehensweisen an den Wandel beruhen auf der Weltsicht von Unterwerfung, Urteil und Gewalt. Drittens müssen wir mit einer Umgebung klarkommen, die unsere alten Gewohnheiten verstärkt, nicht nur durch ökonomische und gesellschaftliche Instrumente, sondern durch ein unablässiges Sperrfeuer subtiler Botschaften, wodurch genau die Dinge als selbstverständlich erscheinen, die wir verändern wollen.

Die Debatte über Schuldenabbau versus steuerliche Anreize geht vom ökonomischen Wachstum als etwas unhinterfragbar Gutem aus. Die Frage der Einwanderungsreform nimmt die soziale Konvention von Grenzen und Ausweisen als gegeben. Die Statistiken über Armut in der Dritten Welt unterstellen, dass Geld ein gutes Maß für Reichtum sei. Die Auswahl an Nachrichten im Fernsehen suggeriert, dass diese die wichtigsten, bedeutsamsten Dinge wären, die passieren. Überall in der Öffentlichkeit gibt es Schilder mit Aufschriften wie “Notbremse. Missbrauch wird bestraft.” Sie unterstellen, dass es die Strafen wären, die die soziale Ordnung aufrechterhalten, so wie die allgegenwärtigen Sicherheitskameras unterstellen, dass die Menschen überwacht werden müssten. Und vor allem suggeriert uns die Normalität der gesellschaftlichen Routinen, dass dieser Lebensstil normal sei.

Für viele Leute ist der mächtigste der Verstärkungsmechanismen dieser Gewohnheiten der Separation das Geld. Meist gereichen die Handlungen, die von Liebe inspiriert sind, nicht unserem finanziellen Eigeninteresse zum Vorteil; im Gegenteil, gerade das Geld scheint solche Handlungen oft zu verhindern. Ist es vernünftig? Ist es zweckmäßig? Kann man es sich leisten es zu tun? Für andere Menschen ist der Verstärkungsmechanismus eine religiöse Lehre oder sozialer Druck oder die Angst vor Familie und Freunden. “Es wird nichts nützen.” “Es ist nicht sicher.” “Es ist sonderbar.”

...Die Geldknappheit wiederum hat ihren Ursprung in der Knappheit von Liebe, Intimität, und Verbundenheit. Das grundlegende Axiom der Ökonomie besagt so viel wie: Menschen sind motiviert ihr rationales Eigeninteresse zu maximieren. Dieses Axiom ist eine Manifestation von Abgetrenntheit und, ich wage zu behaupten, von Einsamkeit. Jeder dort draußen ist ein Nutzenmaximierer und auf sich selbst gestellt. Man ist allein. Warum scheint das so richtig zu sein, zumindest für die Ökonomen? Woher kommt die Wahrnehmung und Erfahrung des Alleinseins? Teilweise entsteht sie aus der Geldökonomie selbst, in der wir von standardisierten Waren umgeben sind, die aus ihrer ursprünglichen Beziehungsmatrix gerissen wurden, und in der Gemeinschaften von Menschen, die Dinge für sich und füreinander tun, durch bezahlte professionelle Dienstleistungen ersetzt werden. Wie ich in “Ökonomie der Verbundenheit” beschreibe, wird Gemeinschaft aus Geschenken gewoben. Geschenke in verschiedenen Formen schaffen Bande, weil ein Geschenk Dankbarkeit erzeugt: den Wunsch, es zurück- oder weiterzugeben. Eine Geldtransaktion ist im Gegenteil aus und vorbei, wenn einmal Waren und Geld die Besitzer gewechselt haben. Die beiden Parteien gehen getrennter Wege.

Die Knappheit von Liebe, Intimität und Verbundenheit ist auch unserer Kosmologie zueigen, die das Universum als aus austauschbaren Bausteinen zusammengesetzt betrachtet, die nur Dinge sind, ohne Empfindung, Sinn oder Intelligenz. Sie ist auch ein Resultat des Patriarchats und seiner dazugehörigen Besitzgier und Eifersucht. Wenn etwas in unserer menschlichen Welt im Überfluss vorhanden ist, dann sollte es Liebe und Intimität sexueller oder nicht-sexueller Natur sein. Es gibt so viele von uns! Hier wie sonst nirgendwo ist die Künstlichkeit von Knappheit so offensichtlich. Wir könnten im Paradies leben.

Manchmal leite ich in einem Workshop eine Übung an, bei der zwei Menschen einander lange Zeit fest in die Augen schauen. Nach dem Abflauen des anfänglichen Unbehagens, wenn die Minuten verstreichen, erleben die meisten Menschen eine unbeschreiblich süße Intimität, eine Verbundenheit, die all die oberflächlichen Posen und Masken überwindet, die die täglichen Interaktionen prägen. Diese Masken sind viel filigraner als wir meinen würden – sie können nicht mehr als einer halben Minute des einander wirklich Anschauens widerstehen; vielleicht gilt es ja deswegen als unhöflich jemandem mehr als nur ein paar Sekunden direkt in die Augen zu schauen. Das ist die ganze Intimität, die wir uns normalerweise erlauben. Das ist der ganze Reichtum, den wir im Moment gerade bewältigen können. Manchmal sage ich nach dieser Übung zur Gruppe: “Können sie sich das vorstellen: Ein solches Glück ist immer zu haben, es ist weniger als sechzig Sekunden entfernt, und doch leben wir Jahre lang ohne es. Erlebten die Menschen es jeden Tag, würden sie dann immer noch einkaufen wollen? Trinken? Spielen? Töten?” 

Wie nahe ist diese schönere Welt, von deren Möglichkeit unsere Herzen wissen? Sie ist näher als nahe.

Welches Bedürfnis jenseits der klassischen Überlebensbedürfnisse ist wichtiger für einen Menschen als jenes berührt, gehalten, gekost, gesehen, gehört und geliebt zu werden? Welche Dinge konsumieren wir zur vergeblichen Kompensation der Nichterfüllung dieses Bedürfnisses? Wie viel Geld, wie viel Macht, wie viel Kontrolle über andere Menschen braucht es, um das Bedürfnis nach Verbundenheit zu stillen? Wie viel ist genug? Wie sich aus der oben erwähnten Studie des Boston College schließen lässt, ist keine Menge je genug. Erinnern Sie sich daran, wenn Sie das nächste Mal denken, dass die Gier die Schuldige an Gaias Leiden sei.

Ich könnte noch viele anderen Arten von Knappheit aufzählen, die in unserer Gesellschaft so normal sind, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Knappheit an Aufmerksamkeit. Knappheit am Spiel. Knappheit am Zuhören. Knappheit an Dunkelheit und Stille. Knappheit an Schönheit. Ich lebe in einem hundert Jahre alten Haus. Was für ein Unterschied zwischen den normalen fabrikneuen Warenobjekten und Gebäuden, die uns umgeben, und den alten Heizkörpern in meinem Haus, die die ganze Nacht lang rasseln und zischen, mit ihren gewölbten Eisenteilen, ihren unregelmäßigen Ventilen und Verbindungsstücken, die mit einem Hauch mehr Sorgfalt gemacht wurden, als es notwendig gewesen wäre, die eine Lebensqualität zu besitzen scheinen. Ich fahre an den Einkaufsmeilen und Shoppingcenters vorbei, an den Parkplätzen und Autohändlern, an den Bürogebäuden und Bauabschnitten, jedes Gebäude ein Beispiel für Kosteneffizienz, und ich wundere mich: “Nach fünftausend Jahren architektonischer Entwicklung ist es das hier, was wir erreicht haben?” Hier sehen wir den materiellen Ausdruck der Ideologie des Messbaren (von Quadratmetern, von Produktivität pro Arbeitskraft) auf Kosten all dessen was Qualität hat: Heiligkeit, Intimität, Liebe, Schönheit, und Spiel.

Wie viel des Hässlichen braucht es, um das Fehlen des Schönen zu ersetzen? Wie viele Abenteuerfilme braucht es, um das Fehlen von Abenteuer zu kompensieren? Wie viele Filme mit Superhelden muss man sich anschauen, um die verkümmerte Verwirklichung der eigenen Großartigkeit zu kompensieren? Wie viel Pornographie, um das Bedürfnis nach Intimität zu befriedigen? Wie viel Unterhaltung, um das fehlende Spiel zu ersetzen? Es braucht unendlich viel davon. Das ist eine Frohbotschaft für das Wirtschaftswachstum aber eine Hiobsbotschaft für den Planeten. Zum Glück erlauben unser Planet und unser zerfetztes soziales Gewebe nicht, dass es noch viel länger so weitergeht. Wir haben das Zeitalter der künstlichen Knappheit fast hinter uns gebracht, wir müssen es nur noch schaffen, die Gewohnheiten aufzugeben, die uns noch an es binden.

Aus der Knappheit, die uns durchdringt, entstehen die Gewohnheiten der Knappheit. Aus der Zeitknappheit entsteht die Gewohnheit der Eile. Aus der Geldknappheit entsteht die Gewohnheit der Gier. Aus der Knappheit an Aufmerksamkeit entsteht die Gewohnheit anzugeben. Aus der Knappheit an sinnvoller Arbeit entsteht die Gewohnheit der Faulheit. Aus der Knappheit an bedingungsloser Akzeptanz entsteht die Gewohnheit der Manipulation. Das sind nur einige Beispiele – es gibt so viele verschiedene Reaktionen auf jedes dieser fehlenden Dinge, wie es Menschen gibt. 

Chapter 19
All diese Sorten von Knappheit gehen auf eine gemeinsame Wurzel zurück, eine Art existentielle Knappheit, für die ich keinen Namen finde. Es ist ein Mangel an Sein, das Gefühl: “ich bin nicht genug”, oder: “es gibt nicht genug Leben”. Als Folge unseres Abgeschnittenseins von dem erweiterten Selbst, das mit dem Rest des Universums inter-existiert, lässt er uns niemals zur Ruhe kommen. Er ist eine Konsequenz unserer Entfremdung, unserer Preisgabe an ein totes, sinnloses Universum aus Kräften und Massen, ein Universum, in dem wir uns nie zu Hause fühlen können, ein Universum, in dem wie nie von einer Intelligenz getragen werden, die größer als unsere eigene ist, nie Teil eines sich entfaltenden Sinnes sein können. Sogar mehr noch als die Knappheit von Zeit und Geld ist es dieses existentielle Unbehagen, das den Willen zu konsumieren und zu kontrollieren antreibt.

Die erste daraus resultierende Gewohnheit, ist jene immer etwas zu tun. Das Hier und Jetzt ist nie genug. Vielleicht möchten Sie einwenden, dass die Menschen in der westlichen Welt unglaublich viel Zeit mit Tätigkeiten verbringen, die ganz und gar nicht produktiv sind, wenn sie fernsehen und Videospiele spielen, aber das sind Ersatzhandlungen und nicht Nicht-Tun.

...
Die Lage der Erde ist zu fatal, um aus Gewohnheit darauf zu reagieren, sprich wieder und wieder die gleichen Lösungen zu probieren, die uns in unsere gegenwärtige höchste Not gebracht haben. Woher kommt die Weisheit, auf völlig neue Art zu handeln? Sie kommt aus dem Nirgendwo, aus der Leere; sie kommt aus der Untätigkeit. Wenn wir das einsehen, erkennen wir, dass uns diese Möglichkeit die ganze Zeit offenstand. Sie lag direkt vor uns; und gleichzeitig war sie in einem anderen Universum – in einer anderen Geschichte von der Welt. Ein chinesisches Sprichwort beschreibt das treffend: “So weit weg wie der Horizont und direkt vor deiner Nase.” Man kann ihr bis in alle Ewigkeit nachrennen, schneller und schneller laufen und nie ein Stück näher kommen. Nur wenn man aufhört, erkennt man, dass man schon dort ist. Genau das ist unsere kollektive Situation in diesem Moment. Alle Lösungen für die globalen Krisen liegen direkt vor uns, aber sie sind für unsere kollektive Wahrnehmung unsichtbar, so als existierten sie in einem anderen Universum.

Wenn wir in einer Geschichte gefangen sind, können wir nur die Dinge tun, die mit dieser Geschichte begreifbar sind. Oft ist uns bewusst, dass wir in einer Falle stecken (die alte Geschichte endet), aber wir haben keinen Zugriff auf irgendeine Alternative (wir sind noch in keiner neuen Geschichte heimisch). Führungskräfte von sozialen oder Umweltschutzorganisationen fühlen sich in ihrem Handlungsrahmen zwischen Spendensammeln, Mitgliederkampagnen, Pressemitteilungen und öffentlichen Diskussionspapieren gefangen. Ein neuer Skandal droht. Was tun? Schon wieder einen Appell aussenden? Auf jeder Ebene sind unsere Lösungen immer weniger wirksam, aber unsere Geschichte erlaubt keine Alternative.

Das Gleiche könnte man über die Antworten der Währungsbehörden auf die Finanzkrise sagen und allgemeiner über die Regierungen überall. An den meisten Orten hat sich das politische System in zunehmend irrelevante Debatten verstrickt, deren echte Lösungen nicht einmal zur Diskussion stehen. In den U.S.A. mitten in den Streitereien über Truppenstärken, Zeitpläne für den Rückzug und so weiter, wo ist hier der Ruf nach einem Rückzug von allen Militärbasen weltweit und der gänzlichen Abrüstung des stehenden Heeres? Das ist nicht Teil der Debatte.i Gewiss, damit das Gegenstand der Debatte werden könnte, müssten tiefsitzende Mythen über die Funktionsweise der Welt, über die Gründe für Krieg und Terrorismus und die wahren Ziele der amerikanischen Außenpolitik und so weiter bis hinunter zu unseren Vorstellungen von Gut und Böse aufgegeben werden. Für jemanden, der diese Mythen nicht hinterfragt hat, mutet ein Ruf nach der Auflösung des Heeres lachhaft und naiv an.

Und genauso: Wo im Universum der politischen Debatte über Landwirtschaft ist die Idee eines umfassenden Übergangs zur Permakultur, einschließlich großer Gärten dort wo heute Rasenflächen sind, einer Wiederbesiedlung der ländlichen Gebiete, der Kompostierung menschlicher Exkremente, und der therapeutischen Vorteile einer Wiederanbindung an den Boden? Man könnte dadurch Kohlenstoff wieder in den Boden zurückbringen, die Eutrophierung der Wasserläufe beenden, die Wasseradern wieder auffüllen, und die Desertifikation rückgängig machen. Es entstünde sinnvolle Arbeit für die Millionen, die danach suchen, und reduzierte drastisch den Verbrauch fossiler Brennstoffe – und man produzierte mehr Nahrungsmittel auf weniger Landfläche, wodurch die wilden Ökosysteme wiederhergestellt werden könnten.

Es braucht einiges Tun um diese Argumente zu belegen. Viele Autoritäten stellen kategorisch fest: “Der einzige Weg sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten zu ernähren ist der massive Einsatz fossiler Treibstoffe.” Diese Behauptung zu widerlegen erfordert die Dekonstruktion ihrer Grundannahmen über Landwirtschaft und Ernährung. Wie viele von ihnen berücksichtigen (um ein Beispiel von vielen zu nehmen), dass eine Nutzpflanze wie der Brotnussbaum der Maya in den Tropen den achtfachen kalorischen Ertrag von Mais pro Hektar produzieren kann mit höherem Nährwert und besserer Lagerungsfähigkeit, und außerdem in großen Mengen mit minimalem Arbeitseinsatz ohne Pestizide angebaut und nur einmal gepflanzt werden muss, trockenheitsresistent ist, Futter für Ziegen und Kühe bereitstellt und als eine Oberholzpflanze zusammen mit Gemüse oder Aquakultur etc. darunter gepflanzt werden kann? Dieser Baum wurde in ganz Zentralamerika abgeholzt, um Platz für Maisfelder zu schaffen.ii




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen