"Land der Freiheit, Heimat der Mutigen", so heißt es in der amerikanischen Nationalhymne. Anfang Juli ist Unabhängigkeitstag. Doch diesmal zeigen auch eingefleischte Patrioten dem Trubel die kalte Schulter. "Keine Geheimgesetze" - dieser Appell werde mit Füßen getreten. Empört protestieren Hunderte gegen die Bespitzelungen - unter ihnen Tom Drake. Der Computerexperte kennt die Macht des Überwachungsapparat. Er gehörte beim Geheimdienst NSA zu den Führungskräften. Bis er das, was dort geschah, nicht mehr vertreten konnte.
2005 beginnt die Hexenjagd
Als Drake 2005, lange vor Snowden, das
Geheimprogramm "Prism" öffentlich macht, beginnt die Hexenjagd. Heute
ist er der Veteran der Whistleblower. Auch Snowden nennt ihn als
Vorbild. "Die haben mein Leben auf den Kopf gestellt. Die haben alles
bespitzelt: meine Freunde, meine Familie, alle Kontakte von mir. Meine
Mails, meine Telefonate - alles von mir haben die gefunden und
gespeichert", erzählt Drake. Er verliert seinen Job, erhält
Morddrohungen, auch Frau und Kinder werden unter Druck gesetzt. Sein
einziges Vergehen: Er hat vor der verfassungswidrigen Überwachung von
Millionen von US-Bürgern gewarnt.
"Wir hatten erwartet,
dass Obama die geheimen Bespitzelungen der Bush-Regierung zurücknehmen
würde. Das hatte er vor seiner Wahl versprochen. Aber er ist Teil des
Überwachungsstaats geworden und hat den noch ausgedehnt, weit über Bush
hinaus. Ich konnte damals nicht weiter schweigen. Ich war der
Erste. Deshalb wollen sie an mir ein Exempel statuieren. Sie wollten
mich an den Pranger stellen und sagen: Seht, das passiert denen, die
Geheimnisse preisgeben, auch wenn sie die Wahrheit sagen", schildert
Thomas Drake seine Geschichte.
Tomas Drake kämpft - mit Erfolg
Wir begleiten Tom Drake zu seiner Anwältin. Genau
wie Snowden war auch ihm vorgeworfen worden, gegen das Spionage-Gesetz
verstoßen zu haben. Ihm drohen 35 Jahre Gefängnis. Er kämpft, hat Glück -
alle Vorwürfe müssen fallen gelassen werden. Er bekommt lediglich ein
Jahr Bewährung für eine Lappalie. Fast alles, was Snowden jetzt
enthüllt, hatte Drake bereits öffentlich gemacht.
Tom Drake zeigt uns
Bilder aus seinem früheren Leben. Hoch dekoriert war er bei der NSA, der
größten und mächtigsten Geheimdienstorganisation der Welt: technischer
Leiter der Entwicklungsabteilung. Später testet Drake jene Software, mit
der die Flut der abgefangen Daten gespeichert wird. Als ihm Zweifel
kommen, schreibt er mit zwei Kollegen ans Verteidigungsministerium. Sie
wenden sich an Kongress und Senat. Niemand reagiert.
Drake hält den BND für feige
Dass
heute der BND nichts von dem Abhörprogramm gewusst haben will, hält
Drake für feige: "Ich kann Ihnen nichts über die aktuellen Operationen
sagen. Aber ich weiß persönlich von geheimen Absprachen zwischen der NSA
und dem BND. Die haben zusammengearbeitet und sich Zugang zu ihren
Systemen ermöglicht. Ich glaube, auch beim BND kocht bald ein Skandal
hoch. Ich halte es für Wahrscheinlich, dass auch der BND eigene
Vereinbarungen mit Internetanbietern hat. Natürlich geheim. Und dass
dies vielleicht von hochrangigen Politikern gedeckt wird." Beweise dafür
kann er uns nicht liefern. Das FBI hat alles mitgenommen, als sie seine
Wohnung durchsucht und seine Computer beschlagnahmt haben, sagt Drake.
Dass Snowden die Kopien an sicheren Orten deponiert habe, das könnte
seine Lebensversicherung sein. Denn die Regierung versuche alles, um
Snowden mundtot zu machen - davon ist Drake überzeugt.
"Sein Leben ist in Gefahr. Es gibt Elemente in der
Regierung, die ihn unter allen Umständen ausschalten wollen. Die können
das. Das ist die dunkelste der dunklen Seiten der Macht", warnt Drake.
Er selbst habe das Schlimmste hinter sich, glaubt der ehemalige
NSA-Mitarbeiter. Doch der Preis, dafür sei hoch gewesen. "Ich hätte nie
gedacht, dass ich zu einem Kriminellen würde, nur weil ich die Wahrheit
gesagt habe, die meine Regierung nicht hören will. Freiheit gibt es
nicht umsonst. Wenn Bürger jetzt nicht ihre Rechte verteidigen, wird
alles noch schlimmer."
"Im Land der Schatten
ist die Wahrheit eine Lüge", hat uns Tom Drake zum Abschied gesagt. Eine
deutliche Warnung vom Veteranen der Whistleblower.
Autorin: Tina Hassel, ARD-Studio Washington
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