Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Wir werden sehen wie wichtig es ist die radikale Revolution in den Köpfen der Menschen zu verursachen. Die Krise ist eine Krise des Bewusstseins. Ein Krise, die nicht mehr die alten Normen akzeptieren kann, die alten Muster, die uralten Traditionen. Wenn man in Betracht zieht, was die Welt jetzt ist, mit all dem Elend, den Konflikten, der zerstörerischen Brutalität, Aggressionen usw. Der Mensch ist immer noch wie er war. Er ist immer noch brutal, zerstörerisch, aggressiv, habgierig, wetteifernd. Er hat eine Gesellschaft darauf aufgebaut.

Samstag, 28. September 2019

Paul Brunton ♥ Augenblicke der Wahrheit I

 "Kein Weg ist der einzige."

"In deinem Geist hat immer nur ein einziger Gedanke Platz. Sorge also dafür, daß es ein positiver ist."
"Telepathie ist nicht deshalb möglich, weil das Denken den Raum durcheilen kann, sondern weil der Raum in Wirklichkeit Denken ist."

«Wenn Herz zu Herzen spricht, was gibt es dann noch zu sagen?»
Ramana Maharshi
«Du mußt über das Sehen hinausgehen und herausfinden, wer das Ich ist, das dieses Licht erfährt», sagte Ramana Maharshi zu einem Schüler.

Daher bekannte Muhammed wiederholt: «Ich bin nur ein Mensch wie ihr. Aber mir werden Offenbarungen zuteil.» Und der zehnte Guru der Sikhs erklärte: «Wer mich den Höchsten Herrn nennt, wird zur Hölle fahren.» 

13. LEBENSERFAHRUNG


Seneca sagt: «Nimm alles, als hattest du es so gewünscht und erbeten. » (Er spricht von Drangsalen )

Es kommt nicht nur auf die Qualität des Bewußtseins eines Menschen an, sondern auch auf die Qualität seines Alltagslebens, nicht nur auf die seltenen mystischen Ekstasen, zu denen sich sein Erleben aufschwingt, sondern auch auf sein Verhältnis zur Welt der Gegenwart und seine Einstellung zu ihr. Es reicht nicht aus, ein Mystiker zu sein: Man kann die breite Straße nicht umgehen, auf der alle Menschen dahinziehen müssen. Kurz gesagt, kann man in der Welt sein, aber nicht von ihr? Kann man das Gewöhnliche, das Gebräuchliche heiligen; jene Tätigkeiten, dieses Geschäft, gar jene Arbeit für den Lebensunterhalt; die Kontakte mit Familie, Freunden, Kritikern und Feinden? Schließlich ist man doch ein Mensch mit persönlichen Problemen; man kann nicht vierundzwanzig Stunden am Tag ausschließlich in abstrakten Ideen leben oder in religiöser Zurückgezogenheit: Man hat einen Körper aus Fleisch und Blut, eine wichtige Pflicht oder Verantwortung, der man in der Welt draußen nachkommen muß.

Was einem Menschen widerfährt, ist wichtig, aber nicht so wichtig wie das, was er daraus macht.

In gewissen Punkten stand ich den Sadhus in Indien kritisch gegenüber - in welchen, tut hier nichts zur Sache. Die Differenzen wurden damals von einigen indischen Zeitungen ziemlich sensationell und mit viel Begriffsstutzigkeit, ja Böswilligkeit aufgebauscht. Aber ich bewunderte sie auch in anderen Punkten, die ich heute zum Teil bei den jungen Aussteigern antreffe, die eine religiöse Einstellung haben. Sie rebellieren gegen eine materialistische Gesellschaft und verweigern sich ihr. Sie erinnern uns daran, daß Jesus auch ein Aussteiger war. Sie versuchen, durch Arbeit an sich selbst zu leben, gehen einander kooperativ und nicht konkurrenzhaft zur Hand, ohne Ehrgeiz, ohne Versicherungsschutz, mit wenigen Habseligkeiten - durch Ehrlichkeit und nicht durch äußeren Schein. 


Wir leben in einer Zeit, in der falsche Aussagen als wahre durchgehen, in der täuschende Werte als echte Werte angesehen werden. Es ist eine Zeit, in der die Verbreitung des Wissens mehr und mehr in die Hände von Menschen gelangt, die selbst zu jung sind, um die Jungen weise unterweisen zu können, die zu unausgeglichen sind, um zur Charakterbildung der Jungen beitragen zu können, die zu theoretisch ausgerichtet sind, um ihren Schülern wirklich praktisch hilfreiche Hinweise geben zu können.

15. DER ORIENT
Der Kontrast zwischen geschwätzigen Amerikanern der Städte und schweigenden Arabern der Wüste ist unvergeßlich. Die Beduinen können in einer Gruppe sitzen und stundenlang nichts sagen. Der Friede der Wüste ist in einem solchen Maße in sie eingezogen, daß die gesellschaftliche Verpflichtung zur Kehlkopfbetätigung unter ihnen unbekannt ist und als überflüssig gilt.

Der Unterschied zwischen den zwei größten und ältesten asiatischen Völkern ist der: Die Mystiker Indiens suchten stets nach einem idealisierten Menschen als Meister. Wenn sie ihn gefunden hatten, wurde er zum leibhaftigen Gott erklärt; alles, was er sagte oder tat, alles an ihm galt als vollkommen. Folglich verfielen sie in Selbsttäuschung und stellten in ihrer Maßlosigkeit ein ungesundes Verhältnis zu ihm her. Die Mystiker Chinas waren keine solchen Träumer. Sie erstrebten keine unmögliche menschliche Vollkommenheit; sie erkannten die notwendigen Beschränkungen und unvermeidlichen Fehler des Menschen.

Der Vedanta-Anhänger braucht den Buddhismus, um seine Weltanschauung zu vervollständigen und ins Lot zu bringen; der Buddhist braucht den Vedanta zu demselben Zweck. Andernfalls besteht bei jedem eine gewisse Einseitigkeit. Eine Erweiterung wird ihren Ansichten zugute kommen und die Menschen bessern.

19. SEINS- UND BEWUSSTSElNSZUSTÄNDE

Mit dieser Relativität aller Dinge ist es für den sie Erkennenden so bestellt, daß die Welt, die wir erfahren, unsere geistige Welt ist und wir sie deswegen niemals so sehen, wie sie wirklich an sich ist oder wie ein Wesen von außerhalb sie beobachten würde. Infolgedessen sehen wir die Welt - unbewußt - niemals anders als mit dem Selbst vermischt. Das Ich plus etwas anderes als das Ich stecken unser Bewußtseinsfeld ab. Wir erkennen die Welt niemals an sich, sondern nur in einem Zustand der Wechselwirkung mit dem Selbst. Wir erkennen das Selbst niemals an sich, sondern nur in einem Zustand der Wechselwirkung mit der Welt. So ist es um die tatsächlichen und zwingenden Bedingungen der sogenannten Erfahrung der Welt und unserer sogenannten Erfahrung des Selbst bestellt.

Indem der westliche Mensch in seiner Unwissenheit das Wachbewußtsein zur alleinigen Schiedsinstanz über seine Erkenntnis erhebt, begrenzt er diese Erkenntnis unnötig. Und indem er andere Bewußtseinsformen als bloße Nachahmungen oder Verirrungen des Wachbewußtseins auffaßt oder ihnen überhaupt die Existenz abspricht, schließt er sich selbst von der höchsten Einsicht und der höchsten ihm offenstehenden Glückseligkeit aus. Sofern er den Traum- und den Tiefschlafzustand nicht auch in seinen Gesichtskreis mit hineinnimmt, wird er weiterhin vom Unwirklichen getäuscht werden und den Schatten fälschlich für das Ding halten.

Der Raum, in dem der Vorgang des Denkens stattfindet, ist die Zeit. Er könnte ohne die Dimension der Zeit nicht sein. Wird das Denken womöglich einmal transzendiert, dann die Zeit mit ihm. Ein Geist, der dies erreicht, wird dadurch in die reine Gegenwart, das ewige Jetzt, «die Gegenwart Gottes» aller Mystiker geworfen.

21. DER MENTALISMUS
Jedes Wissen um etwas ist ganz einfach der Gedanke darüber. Dies darf nicht mit dem richtigen Gedanken darüber verwechselt werden. Es ist ein bewußter geistiger Zustand, und selbst andere Personen sind nur Erscheinungen in diesem Zustand, Geschöpfe im kosmischen Traum. Um diese Überlegung bis zu ihrem notwendigen Ende zu verfolgen, braucht man im höchsten Maße Mut und Aufrichtigkeit, denn sie verlangt als letzte Schlußfolgerung daraus, daß Erkenntnis nur aus Ideen im Geist besteht, den Grundsatz, daß das ganze Universum nichts als eine gewaltige Idee im eigenen Geist ist. So nämlich ist die Erkenntnis ihrer wahren Natur nach innerlich, und daher kann der individuelle Geist keine ihm äußerliche Wirklichkeit erkennen. Er meint, eine Welt außen zu betrachten, wenn er doch nur seine eigenen geistigen Bilder dieser Welt betrachtet.

Gibt es einen exakten universellen Maßstab der Wahrheit, der zu jeder Zeit und unter allen Umständen anwendbar ist, kurz, etwas Unwandelbares und damit Allerhabenes? Die Wissenschaftler wissen, daß die großen Prinzipien, die in der Geschichte der Wissenschaft Marksteine bildeten, in Wirklichkeit Stufen auf dem Weg zur exakten Wahrheit waren. Die Wissenschaft wandelt sich, ihre Lehren wandeln sich, und ihre früheren Näherungen werden von Zeit zu Zeit durch genauere Standortbestimmungen ersetzt. Wir können heutzutage, da die Wissenschaft selbst eine so rasche Gangart einschlägt, nicht hoffen, eine letztgültige Wahrheit zu finden. Es bleibt jedoch eine unerschütterliche, allumfassende Tatsache bestehen, die immer wahr bleiben wird und sich unmöglich je ändern kann. Ja, jeder experimentelle und theoretische Fortschritt durch forschende Wissenschaftler wird nur dazu beitragen, diese große Entdeckung zu bewahrheiten. Worin besteht sie? Darin, daß die ganze Welt, mit deren Untersuchung jeder Zweig der Wissenschaft emsig beschäftigt ist, nichts als eine Idee im menschlichen Geist ist. Physik, Chemie, Geologie, Astronomie, Biologie und all die anderen Wissenschaften ohne jede Ausnahme haben es letzten Endes ausschließlich mit einem das menschliche Bewußtsein durchziehenden Gedanken bzw. einer Reihe von Gedanken zu tun. Hier also besitzen wir ein Universalgesetz, das das gesamte Feld, auf dem die Wissenschaft tätig ist, umfaßt. Dies ist eine letztgültige Wahrheit, die unsterblich ist und noch dann bestehen wird, wenn jede andere von der Wissenschaft aufgestellte Hypothese durch den Fortschritt der Erkenntnis zu Grabe getragen wurde.

Der individuelle Geist malt sich das Welt-Bild durch sein eigenes Bewußtsein und in diesem aus. Wenn das die ganze Wahrheit wäre, könnte man die Erfahrung durchaus zu Recht eine private nennen. Weil aber der individuelle Geist im universellen Geist verwurzelt und von ihm untrennbar ist, ist es nur ein Teil der Wahrheit. Der Weltgedanke des Menschen ist im Gedanken Gottes enthalten und davon umschlossen.

Die geistigen Bilder, die das Universum unserer Erfahrung ausmachen, wiederholen sich in einer einzigen Minute unzählige Male. Nur deshalb erwecken sie den Eindruck der Kontinuität und Dauerhaftigkeit und Stabilität, genau wie ein Film. Wenn wir sie auslöschen und dabei doch unser Bewußtsein unabgeschwächt bewahren könnten, würden wir zum ersten Mal ihren Ursprung erkennen, die Wirklichkeit hinter ihren Erscheinungen. Das heißt, wir würden den Geist an sich erkennen. Eine solche Auslöschung wird durch Yoga erreicht. Hierin also liegt die Wichtigkeit der Verbindung zwischen Mentalismus und Mystik.

22. INSPIRATION UND DAS ÜBERSELBST
Selbst die Arbeit im Büro, in der Fabrik oder auf dem Feld hält einen Menschen nicht davon ab, seine Suche nach dem inneren Geist fortzusetzen. Die Vorstellung, diese Suche verlange Entrücktheit von der gemeinen Alltagswelt, wird von der Philosophie nicht geteilt. Zerstreutheit und Arbeit sind nicht so unlösbar verknüpft, wie wir vielleicht meinen. Der Schüler kann sich dazu erziehen, selbst bei angestrengter Tätigkeit eine ruhige und gelassene Haltung zu bewahren, wie er sich denn auch die neuesten Erfindungen wissenschaftlicher Technik zunutze macht und doch die geistige Fähigkeit behält, in den ältesten Büchern der asiatischen Weisen zu schmökern. Er kann sich dazu schulen, von der Meditation ins Getriebe zurückzukehren, überall hinzugehen, alles zu tun, wenn er Wahrheit im Geiste und Gelassenheit im Herzen trägt. Er kann lernen, zu allen Zeiten in der Wirklichkeit zu leben. Das Gefühl ihrer Gegenwart bedarf keiner ständigen Erneuerung, keines häufigen Hinübergleitens in die Trance, keiner zwischenzeitigen Flucht aus der Welt, wenn er dem dreifältigen Pfad der Philosophie folgt.

Ja, es ist wunderbar, dieses Gefühl, das mit einem Aufleuchten des höheren Selbst einhergeht; aber wenn es zudem mit einem Erkennen verbunden ist, einem eindeutigen Erfassen, das keiner Diskussion, Auslegung, Ausgestaltung oder Beurteilung mehr bedarf, verleiht es dem philosophischen Sucher eine Gewißheit, die wie eine Segnung ist.

Das Aufleuchten muß nicht unbedingt während der Meditation kommen, wenn auch die in der Meditation geleistete Arbeit sein Eintreten herbeiführen hilft. Es kann jederzeit kommen.

Der plötzliche, aber sanfte Zug weg von der äußeren Aktivität und hin zur inneren, das tatsächlich in der Mitte des Brustbereichs empfundene «Dahinschmelzen des Herzens», wie orientalische Mystiker es nennen, kann sich gelegentlich spürbar machen bzw. bei einem fortgeschrittenen oder auf Regelmäßigkeit bedachten Meditierenden auch jeden Tag. Im letzten Fall wird es für gewöhnlich jedesmal ungefähr zur gleichen Zeit auftreten. Dies ist ein Ruf, dem man mit aller gebührenden Ehrfurcht begegnen sollte. Aber bevor er geehrt werden kann, muß er erkannt werden. Seine Erkennungszeichen können Büchern entnommen, aus der Erfahrung gelernt, aus den Berichten anderer Menschen geschlossen oder von einem persönlichen Lehrer empfangen werden. Wenn der Ruf ergeht, sollte man das Signal beachten, alles stehen- und liegenlassen und dem unausgesprochenen Befehl gehorchen, sich nach innen zu kehren, Andacht zu üben oder sich in Meditation zu begeben.

In solchen unvergeßlichen Augenblicken spricht die Seele klar, wenn auch leise zu einem. Vielleicht erzählt sie einem von seiner wahren Beziehung zum Universum und zu seinen Mitgeschöpfen. Ganz gewiß erzählt sie einem etwas über sich selbst. Sie kann einen von seinem Körper trennen und aus der Höhe darauf herab schauen lassen, bis man begreift, daß das Fleisch durchaus der armseligste und unbedeutendste Teil von einem ist. Und, was vielleicht das Beste ist, sie wird einen mit der Zuversicht erfüllen, daß sie nach seiner Rückkehr in die Welt einsamen Ringens und raschen Vergessens neben und in einem bleiben wird.

Es ist ein Zustand der äußersten Zärtlichkeit, der aus einem inneren Zentrum aufwallenden und in alle Richtungen ausstrahlenden Liebe. Wenn andere Menschen oder auch Tiere in dieser Zeit mit einem in Berührung kommen, werden sie zu Empfängern dieser ausnahmslosen Liebe. Denn dann kennt man keine Feinde, lehnt niemanden ab und bringt es nicht fertig, irgend jemanden abstoßend zu finden.

Es ist wichtig, daran zu denken, daß man in den meisten Fällen nur selten mit solchen Erfahrungen rechnen kann, vielleicht im Leben ein- oder zweimal, wenn der Betreffende nicht bewußt auf der Suche ist. Die Hoffnung, sie möchte sich wiederholen, ist natürlich. Das erste Aufleuchten findet statt, um den Weg zu weisen, um Licht auf den vor einem liegenden Pfad zu werfen, um dem Betreffenden die Richtung und das Ziel zu zeigen. Doch ist auch das Aufleuchten nur vorübergehend und selten, das daraus zu schöpfende metaphysische Verständnis ist der bleibende Gewinn. Trachte also danach, Verständnis zu erlangen und es zu klären.

Während die griechisch-orthodoxe Kirche die Lichterfahrung für das Höchste hält, was dem Menschen erreichbar ist, hält die indische philosophische Lehre sie für die vorletzte Stufe. Denn alles «Gesehene» impliziert das Vorhandensein eines davon getrennten «Sehenden». Im Falle des heiligen Lichtes gilt dies nicht minder. Nicht Sehen, sondern Sein ist dieser Lehre zufolge die letzte Erfahrung. «Du mußt über das Sehen hinausgehen und herausfinden, wer das Ich ist, das dieses Licht erfährt», sagte Ramana Maharshi zu einem Schüler.

25. DER WELTGEIST IM INDIVIDUELLEN GEIST
.Die Seele im Menschen, das Überselbst, ist verbunden mit oder verwurzelt in der Seele im Universum, dem Weltgeist.  
..Es besteht ein gewisser Unterschied zwischen der eigenen höheren Individualität und dem universellen Unendlichen, von dem sie ausgestrahlt wird - die Anhänger des Vedanta mögen sagen, was sie wollen. Und dieser Unterschied bleibt auch im höchsten mystischen Zustand erhalten, der nicht durch totale Einverleibung und gänzliche Vernichtung dieser Individualität gekennzeichnet ist, sondern durch das Aufgehen des eigenen Willens im universellen Willen, die engste Innigkeit des eigenen Seins mit dem universellen Sein.
Die Philosophie weist entschieden all jene vedantischen pantheistischen Vorstellungen und abendländischen mystischen Torheiten zurück, die den Menschen vergotten und ihn mit Gott gleichsetzen wollen. Sie erklärt, daß die Sätze, in denen diese Auffassungen Gestalt gewonnen haben, etwa das indische «Das bist du», das persische «Ich bin Gott» und die mittelalterliche europäische «Vereinigung mit Gott», Übertreibungen der Wahrheit sind, die so aussieht: Gott ist uns innig, durch Erkenntnis unseres höheren Selbst werden wir gottgleicher, aber niemals hört Gott auf, der Unerreichbare, der Unfaßbare zu bleiben.

Kein Sterblicher kann das Geheimnis des höchsten Geistes in seiner eigenen Natur durchdringen, das heißt in seinem statischen, inaktiven Sein. Die Gottheit ist nicht nur über das menschliche Vorstellungsvermögen erhaben, sondern auch über die mystische Schau. Aber der Geist in seinem aktiven, dynamischen Zustand als Weltgeist (und gar sein Strahl in uns namens Überselbst) liegt durchaus im menschlichen Wahrnehmungsbereich und läßt auch eine Gemeinschaft und sogar eine Vereinigung zu. Er ist es, den der Mystiker wirklich findet, wenn er glaubt, Gott gefunden zu haben.

Metaphysisch gesehen, gibt es nichts dergleichen wie eine menschliche Erscheinung Gottes, wie ein Herniedersinken des unendlichen Geistes ins endliche Fleisch. Dieser Irrglaube wird von den Bahais in ihrer Manifestationslehre, von den Christen in ihrer Menschwerdungslehre und von den Hindus in ihrer Avatarlehre als eine heilige Wahrheit verbreitet. Gott kann nicht im Fleisch geboren werden, kann nicht menschliche Gestalt annehmen. Wenn Er sich so begrenzen könnte, wäre Er nicht mehr Gott. Denn wie könnte der Vollkommene, der Unfaßbare und der Unvorstellbare unvollkommen, faßbar und vorstellbar werden?

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