Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Wir werden sehen wie wichtig es ist die radikale Revolution in den Köpfen der Menschen zu verursachen. Die Krise ist eine Krise des Bewusstseins. Ein Krise, die nicht mehr die alten Normen akzeptieren kann, die alten Muster, die uralten Traditionen. Wenn man in Betracht zieht, was die Welt jetzt ist, mit all dem Elend, den Konflikten, der zerstörerischen Brutalität, Aggressionen usw. Der Mensch ist immer noch wie er war. Er ist immer noch brutal, zerstörerisch, aggressiv, habgierig, wetteifernd. Er hat eine Gesellschaft darauf aufgebaut.

Freitag, 20. September 2019

Paul Brunton ♥ Augenblicke der Wahrheit

Einsichten und Reflexionen eines Wanderers auf dem Weg nach Innen
http://www.palikanon.com/diverses/p_brunntn/p_brunn00.htm 
1. Die Suche
2. Die Arbeit an sich Selbst
3. Entspannung und Einkehr
4. Grundsätzliches zur Meditation
5. Der Körper
6. Emotionen und Ethik
7. Der Verstand
8. Das Ich
9. Von der Geburt
10. Die Heilung des Selbst
11. Die negativen Kräfte
12. Reflexionen
13. Lebenserfahrung
14. Der Ort der Kunst
15. Der Orient
16. Mediale und Mystische Erfahrung
17. Der Religiöse Drang
18. Das Andächtige Leben
19. Seins- und Bewusstseinszustände
20. Was ist Philosophie
21. Der Mentalismus
22. Inspiration und das Überselbst
23. Höhere Stufen der Kontemplation
24. Der Innere Friede
25. Der Weltgeist im Individuellen Geist
26. Die Weltidee
27. Der Weltgeist
28. Das All-Eine
O.W. Barth Verlag

1. DIE SUCHE

Wir haben hier auf Erden eine heilige Mission. Wir müssen das finden, was Theologen die Seele und Philosophen das Überselbst nennen. Es ist dies etwas, was uns zum Greifen nahe ist und doch gleichzeitig weit von uns entfernt. Denn es ist die geheime Quelle unseres Lebensstromes, unseres Selbstseins und unseres Bewußtseins. Weil aber unsere Lebensenergie fortwährend durch die Sinne ausströmt, unser Selbstsein fortwährend mit dem Körper identifiziert wird und unser Bewußtsein sich niemals auf sich selbst besinnt, kommt es zwangsläufig dazu, daß uns das Überselbst vollkommen entgeht.
Vier Ziele gibt es, die die Philosophie dem Menschengeist steckt: 
  1. sich selbst zu erkennen; 
  2. sein Überselbst zu erkennen; 
  3. das Universum zu erkennen; 
  4. sein Verhältnis zum Universum zu erkennen. 
Diesen Zielen nachzustreben, macht die Suche aus.

Ein bescheidenes Leben, das sich in den Dienst einer großen Sache stellt, wird groß.

Es besteht bei Mystikschülern, Yoga-Übenden und nach spiritueller Wahrheit Suchenden der starke Hang, ihre Suche als etwas gänzlich vom Leben Abgetrenntes anzusehen, genau wie der Briefmarkensammler und der Freizeitgärtner ihr jeweiliges Hobby als etwas betrachten, dem sie zusätzlich zur Routine ihres täglichen Lebens nachgehen können. Das ist ein grundlegender Irrtum. Die Suche ist weder ein ernsthaftes Hobby noch eine angenehme Ablenkung von der Stumpfheit des prosaischen Alltagslebens. Sie ist das wirkliche Leben selbst. Wer das nicht begreift, verfällt infolgedessen in Exzentrizitäten, Egozentrismen, Superioritätskomplexe, Sektierertum, sinnloses Missionieren noch nicht dafür bereiter oder gegnerisch eingestellter Menschen sowie Versuche, anderen etwas aufzuzwingen, was ihnen nicht entspricht.

Wer die Suche von seinem alltäglichen Dasein trennt, grenzt damit das wichtigste Feld seines weiteren Wachstums aus. Solche Menschen werden oft Träumer oder verlieren die praktischen Dinge des Lebens aus dem Griff. Wenn man jedoch irgendeinen dieser Fehler einem Suchenden gegenüber erwähnt, fühlt er sich selten persönlich angesprochen, sondern meint in der Regel, dies träfe nur auf andere Suchende zu. Dies kommt daher, daß er sich als weiter fortgeschritten betrachtet, als er in Wirklichkeit ist. 

Die Reise beginnt an dem Ort im Bewußtsein, an dem man sich befindet. Man kann die Geschichte anderer Wanderer wiederholen, die hier und dort, in diesem und in jenem Kult nach der Speise suchen, die ihren inneren Hunger stillt. Auf einer solchen Suche können Jahre vergehen, aber ob sie nun in einem von diesen Kulten endet oder außerhalb aller, eines Tages geschieht etwas mit einem. Der Geist wird plötzlich mit Verständnis erhellt und das Herz mit Frieden erfüllt. Die Erfahrung vergeht bald, aber die Erinnerung daran bleibt lange. So froh hat sie einen gemacht, daß man sich danach sehnt, sie zu wiederholen. Aber ach, gerade dies ist anscheinend etwas, was man nicht einfach machen kann, wie man will. Wenn es wieder geschieht, wird man die Suche genau dort aufnehmen, wo sie wirklich am Platz ist - in seinem Innern. Man wird aufhören, hierhin und dorthin zu schauen, und in vollem Ernst mit der Arbeit an sich selbst beginnen. Man wird seinen Charakter läutern, regelmäßig Meditation treiben und inspirierte Werke studieren müssen.

Ist das innere Leben unvereinbar mit dem Leben der Welt? Religiös-mystische Exerzitien und Praktiken gründen meistens auf solch einer fundamentalen Unvereinbarkeit. Auch die traditionellen Lehren behaupten sie für gewöhnlich. Doch wenn dem so wäre: «Dann», so bemerkte Ramana Maharshi einmal skeptisch zu mir, «gäbe es keine Hoffnung für die Menschheit.»

Die übernervösen intellektuellen und künstlerischen Temperamente, die sich scharenweise auf diesen spirituellen Pfaden drängen, sind mehr als alle anderen dazu prädisponiert, sich zu verirren. Die wundersame Welt des Studierens und Experimentierens, die sich für sie auftut, nimmt sie gefangen. Sie drücken sich gern davor, diese Lehren in ihrer ganzen Wirkkraft auszuleben, und reden lieber bloß darüber. Denn der Widerstand, mit dem man bei der Arbeit in schwieriger Materie zu kämpfen hat, bringt die wirkliche Kraft der Seele zum Vorschein. Er erschwert den Erfolg, macht ihn aber dauerhafter.

In der heiligen Stille wird das Leben der Suche geweiht. Und obwohl einen niemand sonst hört oder von dieser Weihung weiß, ist sie ebenso bindend und verpflichtend wie das feierlichste Gelöbnis vor versammelter Loge.

Menschen, die in ihren Emotionen stark von persönlichen Seelenproblemen befangen sind, wären besser für die Suche gerüstet, wenn sie zuerst ihr Leben in Ordnung oder sich persönlich wieder auf die Reihe brächten. Ob ihre Seelenlage nun neurotisch, hysterisch oder psychopathisch ist, es ist eine unbesonnene Vermessenheit, wenn sie es wagen, eine Anwartschaft auf das Eindringen in die göttlichen Mysterien anzumelden.

Das Opfer, das vom Suchenden verlangt wird, ist nichts Geringeres als sein Selbst. Will er die höheren Weihen des Pfades erhalten, muß er das Denken und Trachten des Ich aufgeben, muß dessen emotionale Reaktionen auf Ereignisse, Personen und Dinge überwinden. Jedesmal, wenn er die ruhelosen Gedanken in stiller Meditation zum Schweigen bringt, gibt er das Ich auf; jedesmal, wenn er seine Wünsche in einer wichtigen Entscheidung hintanstellt, gibt er das Ich auf; jedesmal, wenn er den Körper, die Leidenschaften, das Handeln diszipliniert, gibt er das Ich auf. Das Äußerste wird von ihm verlangt, bevor ihm das Äußerste zuteil wird; er ist gezwungen, mit der Selbsterniedrigung zu beginnen und, was schlimmer ist, mit der Selbstkreuzigung aufzuhören. Jeder Suchende muß diese Prüfung bestehen - es führt kein Weg daran vorbei. In "Licht auf den Pfad" (von Mabel Collins) heißt es von den Suchenden, daß «die Füße im Herzblut gewaschen werden». Die Suche ist also nichts für Schwächlinge. Man ist nicht der erste Suchende und wird auch nicht der letzte sein, der weiter das Ich anbetet und dabei wähnt, er habe begonnen, das Überselbst anzubeten.

Diese falsche Selbstidentifikation ist nicht nur ein metaphysischer Irrtum, sondern auch eine innere Gewohnheit. Wir können den Irrtum wohl intellektuell ausräumen, aber wir müssen immer noch mit der Gewohnheit fertig werden. Sie ist derart eingefleischt, daß sie nur durch eine Anstrengung des ganzen Menschen geändert werden kann. Diese Anstrengung heißt die Suche. 

Manche bilden sich ein, der Pfad sei überlaufen. Er ist es nicht. «Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.» Der Wanderer muß lernen, ergeben in teilweiser Einsamkeit dahinzugehen. Das Ringen um sichere Wahrheit und die Suche nach der göttlichen Seele werden von jedem, der die philosophische Ebene erreicht hat, in strenger Vereinzelung verfolgt, und das muß auch so sein. Fortschritt der Menge und massenhafte Erlösung sind hier nicht möglich.

Es stimmt, daß das höhere Selbst den Suchenden von innen her lenken und sogar lehren kann und daß es letztendlich der einzige wirkliche Lenker und Lehrer ist. Aber es stimmt auch, daß er gefährlich irregehen kann, wenn er sich vorzeitig für selbständig hält. Ja, das höhere Selbst wird ihn zu einem anderen menschlichen Helfer leiten, wenn er hinlänglich dafür gerüstet ist. Selbstvertrauen und Unabhängigkeit sind wertvolle Eigenschaften, aber sie können zu weit getrieben werden und dann in Fehler umschlagen. Der Schüler, der sich an seine eigene Lenkung und Inspiration halten kann, ohne Fehltritte zu machen oder Jahre zu vergeuden, darf sich glücklich preisen.
Es ist kein Widerspruch, wenn man Suchenden einmal rät, einen Meister zu suchen und den Pfad der Schülerschaft einzuschlagen, und ihnen ein andermal rät, im Innern zu suchen und den Pfad des Selbstvertrauens einzuschlagen. Die zwei Ratschläge lassen sich ohne weiteres miteinander vereinbaren. Denn wenn der Suchende auf den ersten hört, wird ihn, der Meister dahin führen, in wachsendem Maß Selbstvertrauen zu entwickeln. Wenn er auf den zweiten hört, wird ihn sein höheres Selbst zu einem Meister fuhren.

Kein Suchender sollte so dumm sein, die dargebotene Hand eines würdigen Meisters auszuschlagen. Ja, seine Schwäche und Unwissenheit sind so groß, daß er alle Hilfe benötigt, die er von allen starken und weisen Menschen seiner Zeit wie auch - durch ihre Schriften - vergangener Zeiten bekommen kann. Aber die Beziehung zu einem solchen Meister sollte er deshalb noch lange nicht auf der Grundlage völliger Knechtschaft und intellektueller Lähmung eingehen noch auf der eines totalitären Verbots, bei anderen Meistern oder in anderen Schulen zu lernen. Wenn er sich seine Selbstachtung bewahren will, sollte er sich seine Freiheit zu wachsen und seine Unabhängigkeit zu wählen bewahren. 

Eine kleine Gruppe von Schülern, die sich zu ernsthaftem Lernen zusammenfinden, kann für jeden Teilnehmer eine große Hilfe sein, sofern eine grundsätzliche spirituelle Verbundenheit zwischen ihnen besteht. Fehlt diese auch nur bei einem einzigen aus der Gruppe, kann diese Zusammenkunft unter Umständen mehr Verwirrung als Erleuchtung stiften oder kann einige oder alle vergessen lassen, daß jeder, der auf der Suche ist, allein geht.

Dasselbe Licht, das deine geistige Wichtigkeit erhellt, erhellt auch deine persönliche Bedeutungslosigkeit.

Es kommt nicht so sehr auf die Gedanken an, die der Lehrer von sich gibt, als vielmehr auf die geistige Kraft im Schüler, die durch diese Gedanken erweckt wird.
Gib dich nicht anders, als du bist. Wenn du einer aus der Menge bist, dann zieh dir nicht die stolzen Gewänder des Lehrers an und tu nicht so, als könntest du ihn nachmachen; wenn du dich nicht an die Wahrheit hältst, kannst du sie auch niemals finden. Wer sich auf das Podest spiritueller Geltung stellt, bevor er vom Meister oder von Gott dorthin gestellt wurde, macht damit den ersten Schritt zu einem erniedrigenden und schmerzlichen Absturz.

Wenigstens drei Eignungsvoraussetzungen müssen bei einem spirituellen Lehrer vorhanden sein: vollendete Meisterschaft, sittliche Reinheit und mitfühlender Altruismus. Nur wer über das Böse in sich selbst triumphiert hat, kann anderen dazu verhelfen, für sich das gleiche zu tun. Nur wer den göttlichen Geist in sich selbst entdeckt hat, kann andere dazu anleiten, ihn ihrerseits zu entdecken. Eine Unterweisung, die nicht persönlicher Erfahrung entstammt, kann niemals die Wirksamkeit einer Unterweisung haben, bei der das der Fall ist.

Die Intuition, die einen Menschen veranlaßt, auf die Suche zu gehen, ist wie alle authentische Intuition ein Funke - ein Funke der zum Verlöschen gebracht werden kann durch Zweifel, Unentschlossenheit und das Annehmen unverständiger und abschätziger Gedanken anderer, oder der angefacht werden kann durch Vertrauen, Hingabe und das Annehmen förderlicher Hinweise von Menschen, die den Weg bereits gegangen sind und sein Ziel erreicht haben.

Wenn sich ein Mensch zu guter Letzt selbst gefunden hat, wenn er keinen Bedarf mehr an einem äußeren menschlichen Symbol hat, sondern direkt zu seiner eigenen inneren Wirklichkeit vorstößt, darf er sich in dem ältesten, längsten und größten aller Kämpfe Schulter an Schulter neben den Lehrer stellen.

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