Was für ein Gespräch ~ Zeitlos
Jiddu lässt die große Seele sprechen
der Ozean
Krishnamurti: ...jeder Mensch, in welche Schublade er auch immer passen mag, befindet sich im Kampf. Das nennen wir Leben. (obwohl es langsames sterben ist) Und jemand, der das auf intelligente Weise betrachtet, würde sagen: Um Gottes willen, das ist nicht die richtige Art zu leben, lasst uns herausfinden, ob es eine andere Art zu leben gibt.
Aber keiner fragt das. (ich tue es - mindestens so leben wie auf dem "Grünen Planeten", oder der paradiesischen Welt, oder der Welt, die unsere Herzen schon kennt usw.)
...niemand sagt, das ist falsch, das ist kein Leben. Es ist zum Verrücktwerden.
Manche jungen Leute haben sich die Frage gestellt, werden aber Außenseiter: Entweder sie treten einer Kommune bei oder werden Hindu, gehen in irgendein altertümliches Land und geben sich einfach auf, tun nichts, denken nichts, leben dahin.
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Konflikt bedeutet Teilung
Konflikt heißt Kampf der Gegensätze. Konflikt bedeutet: Du und ich, wir und sie, Amerikaner und Russen, Teilung, Teilung, Teilung – nicht nur innere, sondern auch äußere Zersplitterung. Wo es Zersplitterung gibt, muss es Kampf geben. Ein Fragment übernimmt die Macht und dominiert die anderen Fragmente. Ein intelligenter Mensch – falls es einen solchen gibt, muss eine Art zu leben finden, die nicht bedeutet halb zu schlafen, zu vegetieren, die nicht Flucht in irgendeine schwärmerische, mystische Vision und dieses ganze Zeug ist, sondern eine alltägliche Lebensweise, in der jede Art von Konflikt ein Ende gefunden hat. Es ist möglich.
...Ich habe all diese Kämpfe um mich herum während der letzten fünfzig Jahre beobachtet, die spirituellen, die wirtschaftlichen und die sozialen, die Kämpfe der Diktaturen, der Faschisten, der Kommunisten, der Nazis und einer Klasse, welche die andere bekämpft
...für mich persönlich bedeutet diese Lebensweise, auf die zerstörerischste, unschöpferischste Art zu leben. Ich werde so nicht leben. Ich würde lieber verschwinden.
A. W. Anderson: Sie haben in unseren früheren Gesprächen sehr klar darauf hingewiesen, dass wir zwischen Angst und Gefahr unterscheiden müssen. Bei Gefahr reagieren Tiere in ihrer eigenen Umgebung sofort und eindeutig.
Krishnamurti: das wird uns von Kindheit an beigebracht. Das ist unsere Erziehung: Kämpfen, nicht nur mit uns selbst, sondern mit dem Nächsten und ihn trotzdem lieben, nicht wahr? Es wird so lächerlich. Gibt es also, nachdem wir dies klargelegt haben, einen Weg, ohne Konflikt zu leben?
Unsere Lebensweise ist die unbrauchbarste, unsinnigste Art zu leben. Und wir wollen diese unsinnige Weise praktischer machen. Das verlangen wir immer. Wir sagen niemals: Lasst uns eine Lebensweise finden, die ganz ist und daher gesund, vernünftig und heilig. Wenn man auf diese Weise das Leben wahrnimmt, ist das Handeln die Freisetzung totaler Energie,
Um nun einen solchen Geist hervorzubringen, solch eine Lebensweise, muss man beobachten, was wirklich äußerlich und innerlich stattfindet, in uns und außerhalb von uns. Es anschauen, nicht versuchen, es umzugestalten, nicht versuchen, irgendeine Anpassung vorzunehmen, sondern wirklich die Tatsachen sehen: Ich schaue einen Berg an, ich kann ihn nicht verändern, nicht einmal mit einem Bulldozer kann ich ihn verändern. Aber wir wollen das, was wir sehen, verändern. Der Beobachter ist das Beobachtete. Darum gibt es nichts daran zu verändern. Wobei es bei der Wahrnehmung keinen Beobachter gibt. Es gibt nur das Sehen und darum das Handeln.
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Krishnamurti: Sollten wir nicht eigentlich das betrachten, was wir heutzutage Leben nennen, was tatsächlich stattfindet?
Was wir Existenz, Leben nennen, diese zwei Worte decken das ganze Feld des menschlichen Bemühens ab, sich selbst zu bessern. Nicht nur technisch, sondern ebenso psychisch möchte der Mensch sich verändern, möchte er mehr sein als er ist. Wenn wir den Menschen in irgendeinem Land betrachten, welcher Rasse oder Religion er auch immer angehören mag, sehen wir:
Es ist ein unablässiges Ringen vom Augenblick der Geburt bis zum Augenblick des Todes. Es ist ein Kampf, nicht nur in den intimen oder anderen Beziehungen zu anderen Menschen, sondern auch wirtschaftlich, sozial und moralisch ist es eine große Schlacht. Ich denke, dem stimmt jeder zu. Es ist offensichtlich. Der Konflikt, das Ringen, das Leiden, der Schmerz, die Frustration, die Seelenqual, die Verzweiflung, die Gewalt, die Brutalität, das Töten, all das ist es, was wirklich vor sich geht.
Vierzig oder fünfzig Jahre in einem Büro oder in einer Fabrik verbringen, gelegentliche Ferien für einen Monat, und das auf abenteuerliche Weise, weil Ferien die Reaktion auf ein eintöniges Leben sind. Man sieht sie überall in Europa: Amerikaner, die von einem Museum zum anderen gehen, sich dieses ansehen, jenes ansehen, herumrennen auf der Flucht vor der Eintönigkeit ihrer täglichen Routine. Und sie fahren nach Indien. Ich glaube, da gibt es ungefähr 15000 merkwürdig gekleidete sogenannte Hippies in verschiedenen Klöstern und Städten, wo sie die phantastischsten Dinge tun. Einige von ihnen verkaufen Drogen, ziehen sich indische Kleider an oder verkleiden sich als Mönche. Es ist eine Art großer romantischer, sentimentaler Flucht vor ihrem täglichen eintönigen routinierten Leben. Das nennen wir Leben: Den Kampf innerhalb der Beziehung, den Kampf im Geschäftsleben, im wirtschaftlichen Umfeld. Es ist ein ständiges Ringen.
A. W. Anderson: Aber was Sie gesagt haben,
scheint im Leben selbst enthalten zu sein. Es gibt den Spruch: »Das
Leben ist ein Kampf«, und wir interpretieren ihn so, wie Sie es
ausdrückten.
Krishnamurti: Und niemand scheint sich zu fragen,
warum es so ist? Wir alle haben es akzeptiert. Wir sagen: »Ja, das
gehört zu unserer Existenz. Wenn wir nicht kämpfen, werden wir zerstört.
Es ist Teil unseres natürlichen Erbes. Beim Tier sehen wir, wie es
kämpft, und wir sind teilweise noch Tier, teilweise noch Affe und so
müssen wir also weiter kämpfen, kämpfen, kämpfen.« Wir haben uns nie
gefragt, ob das richtig ist! Ist das die Art zu leben? Ist das die Art,
sich zu verhalten, die Schönheit des Lebens zu würdigen?
A. W. Anderson: Gewöhnlich geht es nur darum, wie der Kampf noch effektiver geführt werden kann.
Lehrer / Schule
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Krishnamurti: Ich muss mich zuerst transformieren,
damit ich lehren kann. Wissen Sie, es gibt etwas dabei, was nicht ganz
klar ist: Ich muss warten, bis ich mich verändere. Warum kann ich mich
als Erzieher nicht im Moment des Unterrichtens ändern? Die Jungen, die
Mädchen, die Studenten leben in Konflikt; der Erzieher lebt in Konflikt.
Wenn ich ein Erzieher mit vielen Schülern wäre, würde ich als erstes
sagen: »Ich lebe in Konflikt, ihr lebt in Konflikt, lasst uns in einer
Diskussion, in der uns unsere Beziehung klar wird, herausfinden, ob es
für mich und für euch nicht möglich wäre, diesen Konflikt aufzulösen.
Das ist dann Handeln. Aber wenn ich warte, bis ich frei von jedem
Konflikt bin, kann ich bis zum jüngsten Tag warten.
Das ist das erste, was ich diskutieren würde, nicht
die technischen Fächer. Denn das ist Leben. Und auch beim Unterrichten
eines technischen Faches würde ich sagen: »Gut, lasst uns sehen, wie wir
dies angehen und daraus lernen«, so dass sowohl die Schüler als auch
der Erzieher ihre Konflikte kennen und engagiert sind, sie aufzulösen.
Und darum sind sie außerordentlich interessiert. Das schafft eine
außergewöhnliche Beziehung. Ich habe es beobachtet. Ich besuche mehrere
Schulen in Indien und in England, und dort findet es statt. Die Energie,
die durch Konflikt geschaffen wird, ist zerstörerisch. Die Energie, die
durch Konflikt, Anstrengung und Kampf entsteht, produziert Gewalt,
Hysterie und neurotisches Handeln. Wogegen die Handlung durch
Wahrnehmung total ist, nicht fragmentarisch, und daher ist sie gesund
und vernünftig. Sie bringt intensivste Fürsorge und Verantwortung mit
sich. Das also ist der Weg zu leben: Sehen, handeln, sehen, handeln, zu
jeder Zeit. Ich kann nicht sehen, wenn sich der Beobachter vom
Beobachteten unterscheidet. Der Beobachter ist das Beobachtete.
Sie sehen also, dass der gesamte Inhalt unseres Bewusstseins Kampf ist, ein Schlachtfeld, und das nennen wir Leben. Und wie kann in diesem Kampf Liebe existieren? Wenn ich Sie schlage, wenn ich Ihnen Konkurrenz mache, wenn ich versuche, Sie zu überrunden, wenn ich erfolgreich und unbarmherzig bin, wie soll dann die Flamme der Liebe oder des Mitleids, der Zartheit, der Güte entstehen? Sie entsteht nicht. Und darum hat unsere Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, keinen Sinn für moralische Verantwortung hinsichtlich des Handelns oder der Liebe. Sie existiert nicht.
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