Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Armin Risi: Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag (Teil 1)
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Armin Risi: Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag (Teil 1)
Kurzvortrag von Armin Risi zu Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag am 20. März 2020 (in zwei Teilen in einer spontanen Hausproduktion).
Hölderlin endlich aktuell (Teil 1): „Vom Schlafe die Völker weckend“
Der Titel von Teil 1 ist der ersten Strophe von Hölderlins Gedicht „Dichterberuf“ entnommen:
„Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts / Triumph, als allerobernd vom Indus her / Der junge Bacchus kam, mit heilgem / Weine vom Schlafe die Völker weckend.“
„Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte. Denn dies ist meine seligste Hoffnung, der Glaube, der mich stark erhält und tätig, unsere Enkel werden besser sein als wir … Diese Keime von Aufklärung, diese stillen Wünsche und Bestrebungen Einzelner zur Bildung des Menschengeschlechts werden sich ausbreiten und verstärken, und herrliche Früchte tragen. Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche und meiner Tätigkeit – dies, daß ich in unserm Zeitalter die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden.“
„Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte. Denn dies ist meine seligste Hoffnung, der Glaube, der mich stark erhält und tätig, unsere Enkel werden besser sein als wir … Diese Keime von Aufklärung, diese stillen Wünsche und Bestrebungen Einzelner zur Bildung des Menschengeschlechts werden sich ausbreiten und verstärken, und herrliche Früchte tragen. Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche und meiner Tätigkeit – dies, daß ich in unserm Zeitalter die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden.“
Kurzvortrag von Armin Risi zu Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag am 20. März 2020 (in zwei Teilen).
Hölderlin endlich aktuell (Teil 2): Sein letztes Gedicht
Heute gilt Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) als einer der größten und genialsten Dichter der deutschen Literatur und der Weltliteratur. Er als visionärer Dichter schrieb bereits als 23-Jähriger (1793): „Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche und meiner Tätigkeit – dies, daß ich in unserm Zeitalter die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden.“ Tatsächlich blieb er zeit seines Lebens und weit über seinen Tod hinaus weitgehend verkannt, doch die Keime, die er weckte, reiften und können heute verstanden werden.
Ein zusammenfassender Schlüssel findet sich in seinem letzten Gedicht, das er nur wenige Tage vor seinem Tod niederschrieb. Er unterschrieb mit dem Namen „Scardanelli“ und mit dem vielsagenden Phantasiedatum „24. Mai 1748“.
Die Aussicht
Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben,
Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben,
Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde,
Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde.
Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben,
Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde,
Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde.
Daß die Natur ergänzt das Bild der Zeiten,
Daß die verweilt, sie schnell vorübergleiten,
Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet
Den Menschen dann, wie Bäume Blüt umkränzet.
Daß die verweilt, sie schnell vorübergleiten,
Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet
Den Menschen dann, wie Bäume Blüt umkränzet.
Mit Untertänigkeit
Scardanelli.
d. 24 Mai 1748.
Entflohene Götter! auch ihr, ihr gegenwärtigen, damals
Wahrhaftiger, ihr hattet eure Zeiten.
Nichts leugnen will ich hier und nichts erbitten.
Denn wenn es aus ist, und der Tag erloschen,
Wohl trifft’s den Priester erst …
Nur als von Grabesflammen, ziehet dann
Ein goldner Rauch, die Sage, drob hinüber,
Und dämmert jetzt uns Zweifelnden um das Haupt,
Und keiner weiß, wie ihm geschieht. Er fühlt
Die Schatten derer, so gewesen sind,
Die Alten, so die Erde neubesuchen*.
Denn die da kommen sollen, drängen uns,
Und länger säumt von Göttermenschen
Die heilige Schar nicht mehr im blauen Himmel.
Wahrhaftiger, ihr hattet eure Zeiten.
Nichts leugnen will ich hier und nichts erbitten.
Denn wenn es aus ist, und der Tag erloschen,
Wohl trifft’s den Priester erst …
Nur als von Grabesflammen, ziehet dann
Ein goldner Rauch, die Sage, drob hinüber,
Und dämmert jetzt uns Zweifelnden um das Haupt,
Und keiner weiß, wie ihm geschieht. Er fühlt
Die Schatten derer, so gewesen sind,
Die Alten, so die Erde neubesuchen*.
Denn die da kommen sollen, drängen uns,
Und länger säumt von Göttermenschen
Die heilige Schar nicht mehr im blauen Himmel.
*(Das heißt: So wie sie einst dagewesen sind, so werden sie, die Alten,
die Erde neubesuchen. Er, der Priester, ahnt dies, obwohl auch er noch
nicht weiß, wann und wie. Doch fühlt er bereits die Schatten, die denen,
die da kommen sollen, vorauseilen.)
„Götter
wandelten einst bei Menschen.“ Heute sind sie „entflohen“, und es blieb
nur, wie „ein goldner Rauch, die Sage“. Aber sie sind immer noch
gegenwärtig, und sie werden „die Erde neubesuchen“. Wer sind sie, die da
kommen sollen und uns sogar drängen? Es sind jene, die einst dagewesen:
„Die heilige Schar von Göttermenschen … im blauen Himmel“!
Wen wundert’s, daß die Menschen jemanden, der solche Ansichten vertrat, für verrückt erklärten? Heute, zweihundert Jahre später, reagieren viele noch genauso, wenn sie von „Göttermenschen“ hören – weil sie auf die Menschen-Götter hören und deren Herr-Göttern (Mammon & Co.) hörig sind.
Wen wundert’s, daß die Menschen jemanden, der solche Ansichten vertrat, für verrückt erklärten? Heute, zweihundert Jahre später, reagieren viele noch genauso, wenn sie von „Göttermenschen“ hören – weil sie auf die Menschen-Götter hören und deren Herr-Göttern (Mammon & Co.) hörig sind.
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