Eine Schweizer Studie kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich 147 Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren. Besonders Banken und Rentenfonds stehen mit ihrem Einfluss ganz weit vorne.
Berlin –
Der Ausspruch des US-Globalisierungskritikers Lester Brown, dass
die Sonne über internationalen Konzernen wie Unilever, IBM oder
Volkswagen niemals untergehe, hat es zu einiger Berühmtheit gebracht. Er
wollte damit ausdrücken, dass die wahren Weltreiche heute nicht mehr
die von Staaten sind, sondern die von Unternehmen. Er brachte damit das
Unbehagen vieler Menschen zur Sprache, dass einige wenige ökonomische
Riesen zu viel Macht bekommen haben.
Nun haben Forscher
der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich erstmals genau
nachgewiesen, welche Konzerne die Weltwirtschaft dominieren und wie weit
ihr Einfluss reicht. Sie kommen zu einem genauso präzisen wie
erschreckenden Ergebnis. Demnach kontrollieren lediglich 147 Konzerne
große Teile der Weltwirtschaft. Sie haben gemessen an ihrer Größe
überproportional viel Einfluss. Besonders dominant sind der
Untersuchung zufolge Unternehmen aus dem Finanzbereich, also Banken und
Rentenfonds. Als einflussreichstes Unternehmen der Welt stellte sich die
britische Barclays Bank heraus.
Ergebnisse schlagen Wellen
Das
ist zwar nur eine Momentaufnahme. Seine Untersuchung stützt das
Forscherteam auf Daten von Orbis aus dem Jahr 2007. Die Datenbank
enthält Informationen über 37 Millionen Unternehmen und Investoren
weltweit. Anhand dieser Daten gelang es den Forschern, insgesamt 43.000
internationale Unternehmen zu identifizieren. Das Forscher-Trio
interessierte nun, ob diese Unternehmen eigenständig agieren, oder ob
sie durch andere Firmen kontrolliert werden. Es stellte sich heraus,
dass innerhalb dieser großen Gruppe von internationalen Unternehmen
einige wenige großen Einfluss ausüben.
Insgesamt
kristallisierten sich 1318 Konzerne heraus, die mindestens an zwei
anderen Unternehmen beteiligt waren, im Durchschnitt waren sie mit 20
weiteren Unternehmen verbunden. Das führt dazu, dass diese Unternehmen –
obwohl sie nur ein Fünftel der globalen Umsätze ausmachen – insgesamt
vier Fünftel der Umsätze von internationalen Konzernen kontrollieren.
An dieser Stelle endete das Interesse der Forscher jedoch nicht. Sie entdeckten innerhalb dieser Strukturen eine Super-Einheit von 147 Unternehmen, die besonders mächtig sind. Diese Super-Einheit ist ein in sich geschlossenes System. Die Mitglieder dieser Super-Einheit kontrollieren sich gegenseitig, weil sie sich über ein kompliziertes Geflecht von Beteiligungen größtenteils in wechselseitigem Besitz befinden.
An dieser Stelle endete das Interesse der Forscher jedoch nicht. Sie entdeckten innerhalb dieser Strukturen eine Super-Einheit von 147 Unternehmen, die besonders mächtig sind. Diese Super-Einheit ist ein in sich geschlossenes System. Die Mitglieder dieser Super-Einheit kontrollieren sich gegenseitig, weil sie sich über ein kompliziertes Geflecht von Beteiligungen größtenteils in wechselseitigem Besitz befinden.
Das Ergebnis ist, dass diese 147
Unternehmen, die weniger als ein Prozent der Firmen ausmachen, mehr als
40 Prozent der 43.000 betrachteten internationalen Unternehmen
kontrollieren. Die Analyse zeigt die große Macht der Finanzinstitute.
Der Kreis der 50 mächtigsten Unternehmen ist ein fast exklusiver Club
von Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. Nur die China
Petrochemical Group schaffte es in diesen kleinen Kreis. Insgesamt sind
drei Viertel der Unternehmen der Super-Einheit Finanzfirmen.
James
B. Glattfelder, einer der Autoren der Studie, hält diese starke
Konzentration von Macht innerhalb der Hände weniger aus mehreren Gründen
für problematisch. „Neuere Studien deuten daraufhin, dass ein hoher
Grad von Vernetzung die Verbreitung von Stress im Netzwerk begünstigt“,
sagte er der Berliner Zeitung. Wie die Finanzkrise 2008 gezeigt hat,
genügt es, wenn ein Unternehmen wie damals Lehman Brothers unter Druck
kommt, um das ganze System zu destabilisieren.
Studie in der Fachwelt umstritten
Zudem
könne die Konzentration auch wettbewerbsschädlich sein. „Nationale
Beteiligungsanalysen haben gezeigt, dass kleine, hoch-vernetzte Gruppen
schlecht für den Wettbewerb sind.“ Die Machtkonzentration lasse sich
aber nur schwierig wieder aufbrechen. „Zwei ältere, nationale
Beteiligungs-Netzwerkanalysen haben gezeigt, dass ein Kern, bestehend
aus den wichtigsten Knoten, sehr resistent gegenüber Veränderungen ist“,
sagte er.
In der Fachwelt wird die Studie heiß
diskutiert. Gregory Jackson, Professor für Wirtschaftswissenschaft an
der Freien Universität Berlin, hält die Untersuchung für
hochinteressant. Die Erforschung von komplexen Netzwerken habe in
anderen Disziplinen, zum Beispiel der Physik, in den vergangenen Jahren
große Fortschritte gemacht. „Die Autoren wenden dieses Wissen nun auf
die Welt der Wirtschaft an. Die enorme Machtkonzentration auf wenige
Unternehmen überrascht mich nicht, aber die Autoren haben sie erstmals
in groben Zügen identifiziert.“
Dass das Datenmaterial
schon vier Jahre alt ist, hält Jackson für unproblematisch. „Die
Grundaussagen der Studie sind wohl noch zutreffend, auch wenn das
Datenmaterial von 2007 stammt.“ Lehman Brothers landete zum Beispiel auf
Platz 34 in der Studie. „Die zentrale Rolle von Lehman Brothers gilt
natürlich nicht mehr, aber die Strukturmerkmale derartiger Systeme sind
wahrscheinlich relativ stabil“, sagte Jackson.
Allerdings
rät er zur Vorsicht bei der Interpretation der Studie. „Untersucht
worden ist ja lediglich, wie die Struktur aufgebaut ist“, sagte er. Wie
sich die hohe Verflechtung auf das Verhalten der Unternehmen auswirke,
sei dagegen nicht Teil der Studie. Zum Beispiel werde nicht beantwortet,
ob der innere Zirkel besonders stark verflochtener Unternehmen sein
Verhalten koordiniert. Auch die Autoren der Studie weisen explizit
darauf hin, dass noch untersucht werden müsse, ob das Super-Netzwerk
konzertiert politische Macht ausübe.
Yaneer Bar-Yam,
Leiter des New England Complex Systems Institute (NECSI), warnte im New
Scientist darüber hinaus davor, den Besitz von Unternehmen automatisch
mit Kontrolle gleichzusetzen. Ob ein Fonds, der Anteile an einer Firma
hält, Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausübe, könne von Fall zu
Fall unterschiedlich sein. Dies müsse näher untersucht werden.
Abgeschottete Kaste
Auch
Jackson von der FU macht sich nun wie die Autoren Sorge, ob sich der
mächtige Firmenkern überhaupt noch aufbrechen lasse, weil der zentrale
Kreis einflussreicher Unternehmen von externer Kontrolle quasi
abgeschottet sein könnte. „Das wirft die Frage auf, inwieweit überhaupt
noch Einfluss von außen auf diese Konzerne genommen werden kann.“
Eine
abgeschottete Kaste extrem einflussreicher Finanzinstitute – für die
Globalisierungskritiker von Attac ist das keine neue Nachricht. „Wir
kritisieren schon seit Langem die enormen Machtballungen, die sich im
globalen Wirtschafts- und Finanzsystem herausgebildet haben“, sagte
Jutta Sundermann, Mitglied des Koordinierungskreises von Attac
Deutschland. „Wir werden uns die Ergebnisse der Studie nun ganz genau
ansehen. Wir fühlen uns in unseren Auffassungen bestärkt.“
Die
Politik könne kaum etwas entgegensetzen. Das liege vor allem daran,
dass die Super-Konzerne die Nationalstaaten gegeneinander ausspielten.
„Es ist erschreckend, wie schwach die kontrollierenden Institutionen der
Staaten, zum Beispiel Kartellämter, sind.“ Diese Schwäche stelle die
Demokratie in Frage, weil der Wille der Mehrheit nicht mehr
durchgesetzt werden könne. Einfache Lösungen hat auch Attac nicht.
Allerdings
hofft Sundermann, dass beim Treffen der G20-Staaten im November eine
stärkere Regulierung der Finanzindustrie vereinbart wird.
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