Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Wir werden sehen wie wichtig es ist die radikale Revolution in den Köpfen der Menschen zu verursachen. Die Krise ist eine Krise des Bewusstseins. Ein Krise, die nicht mehr die alten Normen akzeptieren kann, die alten Muster, die uralten Traditionen. Wenn man in Betracht zieht, was die Welt jetzt ist, mit all dem Elend, den Konflikten, der zerstörerischen Brutalität, Aggressionen usw. Der Mensch ist immer noch wie er war. Er ist immer noch brutal, zerstörerisch, aggressiv, habgierig, wetteifernd. Er hat eine Gesellschaft darauf aufgebaut.

Samstag, 27. September 2014

DAS KÄMPFENDE BEWUSSTSEIN Part I ~ 1. Reduktion der Evolution?

http://matrix-deconstructed.net/Das-kaempfende-Bewusstsein.19.0.html

DAS KÄMPFENDE BEWUSSTSEIN


1. Reduktion der Evolution?

Ray Kurzweil arbeitet in seinem Buch „The Age of spirituelle Machines“ (dt.: „Homo S@piens“) mit virtuellen Dialogen, dazu ein Ausschnitt:
Zur Vorstellung von einem multiplen Bewusstsein: Nehmen wir an, ich fasse einen Entschluss und das andere Bewusstsein in meinem Kopf verwirft ihn wieder: Müßte ich das nicht merken?
Ich dachte, Sie wollten Ihren Keks nicht ganz aufessen. Trotzdem ist er jetzt nicht mehr da.
Erwischt! Ist das ein Beispiel zur Sache?
Es ist ein besonders gutes Beispiel aus Marvin Minskys Buch „Society of Mind“ (dt. „Mentopolis“). In ihm konzipiert Minsky den menschlichen Verstand, den Geist als eine Gemeinschaft verschiedener „Geister“: Einige mögen Kekse, andere sind eitel oder gesundheitsbewusst, wieder andere treffen Entscheidungen, die von wieder anderen verworfen werden. Und alle bestehen ihrerseits wieder aus einer Gemeinschaft von Geisteswesen niedrigeren Ranges. Ganz unten in der Hierarchie stehen winzig kleine Mechanismen von geringer oder gar keiner Intelligenz, die Minsky Agenten nennt. Diese bestechende Sichtweise von der Organisation von Intelligenz kann so auch Phänomene wie gemischte Gefühle oder Gewissenskonflikte erklären.
Ein angebotener Keks, die Frage, wie bewusst er angenommen oder abgelehnt wird, Agenten als Elemente niederen Ranges einer hierarchisch strukturierten Gesellschaftsform und die Auflistung von Kurzweil’s Buch im Literaturverzeichnis der „Ultimate Matrix Collection“ – das sind genug Gründe für einen genaueren Blick:

Die Gemeinschaft des Verstandes
Eine der beiden Vorstellungen von der Wirklichkeit, die Matrix kontrastiert, wurde oben unter der Überschrift „Die Welt ist ein Uhrwerk“ zusammengefasst. Minsky ist ein Mitglied der Uhrwerk-Fraktion: Die Erklärung seiner materiellen Beschaffenheit ist die Erklärung des gesamten Kosmos. Die erkenntnistheoretische Grundannahme hinter diesem Modell ist der Reduktionismus: Um das Ganze zu verstehen, muss man die Summe seiner Bestandteile verstehen. Alle Phänomene dieses Universums basieren auf der grundlegendsten Wissenschaft, der Mikrophysik. Versteht man die Funktionsweise der kleinsten Teilchen, dann versteht man auch alle anderen Aspekte der Wirklichkeit. In der Theorie bedeutet dies, dass sich z.B. das Verhalten sozialer Gruppen über die Reduktionskette Lebewesen ► Zellen ► Moleküle ► Atome aus den Gesetzmäßigkeiten von Elementarteilchen ableiten lassen müsste.
Programs haking Programs?”
Neo
Aber wie ist es möglich, dass Atome, die für sich betrachtet doch wohl weder über Verstand noch über Bewusstsein verfügen, Verstand und Bewusstsein produzieren? Wie kann aus etwas Unintelligentem Intelligenz entstehen? Minsky versucht in seinem Buch „Society of Mind“ eine Antwort auf diese Frage zu geben. Er konstruiert ein Modell des menschlichen Verstandes, das diesen nicht als zielstrebig agierende Einheit begreift, sondern als hierarchisch strukturierte Gesellschaft, zusammengesetzt aus zahllosen verschiedenartigen einfachen Prozessen, die Minsky als Agenten bezeichnet. Auf der untersten Ebene sind diese Prozesse auf die Erfüllung einfachster Teilaufgaben spezialisiert. Die auf einer höheren Ebene angeordneten Agenten sind ebenfalls spezialisiert, ihre Aufgabe ist es, die Agenten niederer Ordnung zu aktivieren und zu deaktivieren. Um spezielle Anforderungen zu erfüllen schließen sich Agenten verschiedener Ebenen zu Agenturen zusammen, die durch die Vernetzung ihrer Bestandteile einen höheren Grad an Komplexität erreichen. Diese Agenturen repräsentieren jeweils verschiedene Fertigkeiten und Fähigkeiten. Sie reagieren auf die jeweiligen Notwendigkeiten und Bedürfnisse und stehen in ihrem Wirken in einem permanenten Konkurrenzverhältnis zueinander. Alle verfolgen sie ein Ziel: Die Beeinflussung des unbewussten und des bewussten Handelns. Das Kräfteverhältnis der verschiedenen Agenturen untereinander und damit die Macht sich durchzusetzen und das Handeln des Individuums zu beeinflussen sind – je nach Situation – Schwankungen unterlegen. Ein Beispiel: Bei mir hat im Augenblick die Agentur „schreiben“ die Oberhand. Dabei helfen mir zahllose niedere Agenten: „tippen“, „kontrollieren“, „löschen“, „überarbeiten“, die jeweils wiederum etliche Subagenten integrieren. Im Hintergrund lauern schon die Agenturen „schlafen“ und „essen“ und warten auf ihre Chance. Läuft alles problemlos, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Agentur „Schreiben“ noch eine Weile die Oberhand behält. Kommt es jedoch zu Konflikten, beispielsweise zwischen den Subagenturen „fertig werden“ und „überarbeiten“, dann kann dies die Agentur der darüber liegenden Ebene „schreiben“ schwächen und damit „schlafen“ oder „essen“ dazu verhelfen sich durchzusetzen.
Die Intelligenz, die nach diesem Modell entsteht, ist keine bewusst entscheidende. Die Umwelt liefert Reize, die Agenturen reagieren. Der in dieses System eingebettete Verstand ist ein komplexer Computer, ein passives Opfer von Prozessen, die alleine durch einen Automatismus des gegenseitigen An- und Abschaltens gesteuert werden. Der Mensch – nur eine Maschine? Ein Apparat, der Reaktionen auf Reize produziert? Minsky bejaht diese Einschätzung, wehrt sich aber gegen das „nur“: Selbstachtung könne der Mensch schließlich aus dem Wissen schöpfen, was für eine wunderbare Maschine er sei.
Das Ganze ist die Summe seiner Teile. Die Realität wird durch das Beobachtbare hinreichend erklärt. Die Annahme, dass jenseits des Beobachtbaren noch etwas Unbeobachtbares existiert, erübrigt sich.

Der Geist in Aktion
Der Reduktionismus erklärt nicht die Realität durch Reduktion, er reduziert die Realität! Dies werfen Skeptiker des Modells dem Reduktionismus vor. Minsky erklärt vielleicht das Vorhandensein von Intelligenz. Wie aber lässt sich unser bewusstes Empfinden erklären? Der Schnitt eines Messers in einen Finger setzt eine biologische Maschinerie in Gang; warum aber erleben wir auf der Innenseite unseres Bewusstseins Schmerz? Was ist mit anderen komplexeren Gefühlen? Lässt sich Liebe als Konglomerat vernetzter Aktivierungs- und Aktivitätsprozesse erklären? Wieso haben wir ein Ästhetikempfinden? Welche biologische Notwendigkeit des Evolutionsprozesses lässt uns nach Sinn, nach dem Ursprung allen Seins, nach Wahrheit, nach dem Richtigen und Guten streben?
Die aus diesen Fragen resultierende Gegenposition zum Reduktionismus ist der Holismus, wie ihn etwa Ken Wilber vertritt. Der Holismus ist die zweite Deutung unserer Wirklichkeit, die die Wachowskis in Matrix thematisieren.
Für den Holismus ist das Ganze mehr als nur die Summe seiner Bestandteile. Wilber bezeichnet alle Ebenen der Existenz – von Atomen über Zellen und Organismen bis hin zu Ideen – als Holons. Jedes Holon ist zugleich etwas Ganzes, als auch ein Teil von etwas. Wenn sich einzelne Fragmente einer Ebene vereinigen, dann werden aus Haufen Ganzheiten. Zu Zellen vereinigte Moleküle zum Beispiel bewahren zwar ihre eigenständige Existenz in diesem Verbund, zugleich aber lassen sie etwas völlig Neues entstehen, etwas, das über die zuvor vorhandenen Eigenschaften der Moleküle hinausgeht und somit nicht aus ihnen erklärt werden kann. Dies ist ein Akt der Selbsttranszendenz: Bis dahin gültige Grenzen werden überwunden, neue komplexere Formen erschaffen, eine neue Ebene entsteht. Die Holons dieser Ebene, die Zellen, befindet sich hierarchisch auf einer höheren Ebene als die Moleküle. Jedes neue geschaffene Holon verfügt über eine höhere und tiefere Organisationsstruktur als die in ihr enthaltenen Subholons. Weit oben innerhalb dieser Hierarchie befinden sich der menschliche Verstand und das bewusste Empfinden. Sie sind neue Eigenschaften bzw. Formen der Existenz, die durch die komplexe Organisation von Zellen hervorgebracht werden.
Wenn jede neue Ebene neue Eigenschaften hervorbringt und diese sich nicht aus den darunter liegenden Ebenen erklären lassen, dann stellen sich die Fragen nach dem „Woher?“ und nach dem „Warum?“. Wilber schließt aus seiner Beschreibung der Wirklichkeit auf eine höher liegende Ebene der Existenz, eine Ebene jenseits des Materiellen, die nicht direkt beobachtet werden kann: Eine Ebene des reinen Geistes. Diese höchste aller Ebenen ist der Ursprung und das Ziel aller Existenz. Evolution ist ein Transzendenzprozess. In den Stoff aus dem das Universum besteht ist Selbsttranszendenz eingebaut, der Kosmos hat einen formenden Drang. Dieser bringt aus Materie Leben hervor und aus Leben Verstand, Bewusstsein und Geist. Dieser Prozess der Evolution basiert nicht auf dem Konzept des Zufalls. Er ist zielgerichtet, denn in ihm zeigt sich der Geist in Aktion, der schaffende Gott. Die Beschaffenheit der Realität lässt sich nicht aus dem Beobachtbaren erklären; eine weitere, höher gelagerte Ebene der Existenz – und zwar eine unbeobachtbare – zeigt sich in ihr.

Aufwärts und abwärts
Vergleicht man die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den verschiedenen Ebenen innerhalb dieser Theorien, dann verlaufen sie in gegensätzlichen Richtungen:
Der Reduktionismus vollzieht eine Abwärtsbewegung. Die höheren und komplexeren Ebenen erklären sich aus den darunter liegenden. Die unterste Ebene ist die maßgebliche! Versteht man sie vollständig, lässt sich alles andere aus ihr ableiten.
Der Holismus vollzieht eine Aufwärtsbewegung. Durch den Drang zur Selbsttranszendenz bringt jede Ebene eine neue komplexere Ebene mit neuen Eigenschaften hervor. Die höchste Ebene ist die maßgebliche! Sie ist der Ursprung und das Ziel der Evolution.
Die gleiche Gegenüberstellung noch einmal in reduzierter Form:

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2. Materie Verstand Geist
Exkurs: Kunst und Hermeneutik
Für die Behauptung, Matrix besäße eine Subebene, deren Inhalt das Ringen eines Bewusstseins um die eigene Existenz sei, fehlt noch die Begründung. Sie basiert auf einer Aussage von nicht zu unterschätzender Autorität, auf einer Aussage des Philosophen Ken Wilber. Dass die Wachowskis gerade ihn ausgesucht haben, um den Audiokommentar der UMC zu sprechen, scheint mir eine sehr bewusste Entscheidung gewesen zu sein. Ken Wilber und Larry Wachowski verbindet nach eigener Aussage ein hoher Übereinstimmungsgrad hinsichtlich ihrer Perspektive auf diese Welt. Sie pfleg(t)en offensichtlich einen regelmäßigen Gedankenaustausch. Auch Matrix war das Thema stundenlanger Gespräche, bezüglich dessen Inhalts Wilber jedoch Stillschweigen versprechen musste. Wenn die Wachowskis für die Kommentare nun gerade Wilber ausgesucht haben, dann wollten sie, dass jemand, der um die Bedeutung der Filme weiß, Hinweise gibt. Sie wollten, dass Wilber es Suchenden ermöglicht, einen Eingang in die Filme zu finden.
Ein wirklich genialer Schachzug der Gesamtkonzeption von Matrix ist die Einheit von Form und Inhalt. Auf der Inhaltsebene wird das Vorstoßen in verborgene Ebenen der Erkenntnis unterhalb der materiellen Oberfläche thematisiert. Erschließen muss sich dies der Rezipient durch das Vorstoßen in verborgene Ebenen der Bedeutung unterhalb der filmischen Oberfläche. Die Akteure, das von ihnen symbolisierte Bewusstsein und der Rezipient – sie alle erleben einen strukturell vergleichbaren Erkenntnisprozess: Sie beobachten das Unbeobachtbare! Ist das Erkennen der Verschlüsselung ein Bestandteil des Kunstwerkes, dann würde durch die Bereitstellung einer Entschlüsselung seitens der Verfasser eben diese Konzeption ad absurdum geführt. Gleichwohl sind die Hürden, ohne Hilfe einen Einstieg in die Filme zu finden, fast unüberwindbar. Aus diesem Dilemma befreien sich die Wachowskis durch einen Kunstgriff: Sie äußern sich nicht selbst, verpflichten aber einen Wissenden mit der Aufgabe eine Richtung zu skizzieren.

Die drei Dimensionen des Bewusstseins
“It's that overall interpretation which is really that body, mind and spirit appear in the Matrix trilogy both in their alienated forms and then in their resurrected or healed or more integrated forms, which happens towards the end of the third part.”
Ken Wilber
Wilbers inhaltliche Zurückhaltung während seines Audiokommentars ist zuweilen deutlich wahrnehmbar, dennoch zieht sich durch die sechs Stunden eine Grundaussage, die er wie ein Mantra rezitiert:  
In Matrix symbolisiert
die Farbe grün (= die Matrix) den Verstand,
die Farbe blau (= die reale Welt, besonders Zion) den Körper / die Materie und
die Farbe gold (= die Maschinen / die Maschinenstadt) den absoluten Geist.
Zion, die Matrix und die Stadt der Maschinen: Die drei zentralen Handlungsorte von Matrix sind Metaphern für die drei Dimensionen des Bewusstseins: Körper, Verstand und Geist.
Nimmt man die Aussagen Wilbers ernst und verneint nicht ihre Aussagekraft, ergibt sich eine bittere Konsequenz für die Materialisten unter den Fans: Matrix lehnt den materialistischen Reduktionismus als unzureichende Erklärung der Wirklichkeit ab. Die Trilogie stellt die beiden dargestellten Deutungen dieser Wirklichkeit nicht gleichberechtigt gegenüber: Das Bewusstsein setzt sich aus drei Dimensionen zusammen: dem Verstand, dem Körper und dem absoluten Geist. Die Darstellung dieser drei Ebenen kontrastiert jeweils eine Deutung aus reduktionistischer und eine aus holistischer Perspektive.

Spirituelle Maschinen
Die Maschinen symbolisieren den Geist, die Ebene des Immateriellen. Differenzierter: Die Maschinen repräsentieren die Verbindung des Materiellen mit dem Immateriellen, dem Göttlichen in der Materie.
Die Ebene des reinen Geistes, ohne jegliche Verbindung zum Materiellen, zeigen die Wachowskis zweimal:
Zu Beginn von Revolutions, in einer Schöpfungsszene …
… und als es Neo und Trinity gelingt, das abgeschlossene System des Matrix-Kosmos für einen Moment zu verlassen.
In Vergangenheit und Gegenwart haben viele Menschen versucht, die eigene Begrenztheit zu überwinden und eine Verbindung zum Göttlichen aufzubauen. Die Maschinen in Matrix haben dies erreicht; sie selbst haben ihre eigene Evolution vorangetrieben – und Evolution ist Geist in Aktion. Sie ist ein Transzendenzprozess: Die Maschinen transzendieren ihre materielle Beschaffenheit und erlangen eine Verbindung zu einer höheren Ebene.
Nur Neo hat die Fähigkeit, das Ergebnis dieser Entwicklung zu sehen. Durch seine Erblindung hat er die Fähigkeit verloren, das Beobachtbare wahrzunehmen, die materielle Oberfläche ist für ihn nicht mehr erkennbar …
… er gewinnt dafür die Fähigkeit, die unterhalb der Oberfläche liegende Realität jenseits des Beobachtbaren zu erkennen.
Die einzelnen Bestandteile des Szenarios im ersten Bild lösen sich im zweiten in einem Akt der Selbsttranszendenz auf; sie überwinden die Begrenztheit ihrer eigenen materiellen Existenz. Die Wellen fließen durch diesen Tunnel aus Licht, ungehindert der Grenzen der ihn konstituierenden materiellen Bestandteile. So wie einzelne Ameisen oder Fische in Staaten oder Schwärmen wie ein einziger Organismus erscheinen, so wird hier aus der Summe der insektenartig dargestellten Maschinen eine Einheit, eine höhere Form der Existenz. Die neue Ganzheit ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Neo erlebt Transzendenz im Immanenten. Das Unbeobachtbare wird durch die Augen Neos beobachtbar, das Immaterielle erkennbar im Materiellen.
Warum Maschinen? Warum symbolisieren ausgerechnet kalte programmierte Maschinen in der Matrix-Trilogie die Verbindung von Geist und Materie?
Den Konflikt zwischen Menschen und Maschinen, den die Oberfläche thematisiert, reinterpretiert der Subtext. Er stellt die Frage: Wie viel Maschine steckt im Menschen? Oder umgedreht: Wie viel „Mensch“ steckt in der Maschine? Wenn die Wachowskis Maschinen mit einer Gottesverbindung kreieren, Maschinen, die Liebe empfinden und an ein Karma glauben, dann existieren das Gefühl von Gottesnähe, die Wahrnehmung von Liebe und der Glaube an einen Sinn der eigenen Existenz losgelöst von der menschlichen Trägermasse. Sie sind unabhängig von menschlicher Biochemie, Genetik und Psyche vorhanden, sie sind präexistent. In den Stoff, aus dem das Universum besteht, ist Selbsttranszendenz eingebaut. Der Kosmos bringt mittels seines formenden Drangs Geist zur Entfaltung; auf Basis welcher materiellen Struktur dies geschieht ist unbedeutend: Geist ist Geist, egal ob er sich in Silizium, Kohlenstoff oder sonst einer chemischen Struktur manifestiert.
Kurz: Die Idee von spirituellen Maschinen ist ein Gegenentwurf zur Idee des Menschen als Automaten. Nicht Materie formt den Geist, der Geist formt die Materie.

Welt der Gedanken
"It's the question that drives us mad. It's the question that brought you here.
You know the question just as I did.
"
"What is the Matrix?"
Trinity & Neo
Anders als die Repräsentation des Geistes durch die Maschinen ist die Idee leicht nachvollziehbar, dass die Matrix eine Metapher für den menschlichen Verstand ist. Die Parallelen sind offensichtlich: Unser Verstand und die Matrix sind immaterielle, virtuelle Welten, deren Existenz nur auf Gedanken basiert.
Wiederum parallelisieren die Wachowskis die zwei konkurrierenden Deutungen der Wirklichkeit:  Die Summe der angeschlossenen Gehirne formen das Ganze der Matrix …
… das Ganze ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile.
Im menschlichen Verstand als Teil des Bewusstseins spiegelt sich der absolute Geist, der Anbeginn und das Ziel der Evolution …
… der schließlich auch im Inneren des umkämpften Bewusstseins zur Entfaltung kommen wird.

Der Köper
Die materielle Grundlage des Bewusstseins, den menschliche Körper, symbolisiert Zion. Wiederum:  Zwei Interpretationen kontrastieren sich gegenseitig.
Tanz und Sex sind in Reloaded nicht zwei Geschehen, die zufällig parallel ablaufen, sondern als Einheit zu verstehen.
Zusammen betrachtet zeigen sie ein massenekstatisches Ereignis. Sex basiert auf Körperlichkeit und transzendiert sie zugleich. Der Körper und das Absolute werden eins.
Diese Botschaft senden die Menschen den Maschinen entgegen, die kommen, um den menschlichen Körper in das zu verwandeln, was er dem Materialismus zufolge ist: eine Maschine.
Die Schlacht um Zion interpretiert die Deutung des Menschen als Maschine …
… als materialistische Hölle.
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3. Das Streben nach Gleichgewicht

"That's his purpose. To balance the equation."
"What's your purpose?"
"To unbalance it."
Das Orakel ? Neo
In jedem Verstand befindet sich eine Vorstellung von der Beschaffenheit der Wirklichkeit. Diese Vorstellung ist nicht mehr als eine Konstruktion, ein innerer subjektiver Spiegel des objektiven Äußeren (falls es so etwas gibt). Auf der einfacheren Ebene der alltäglichen Beherrschung der Umwelt ist es notwendig, dass unsere Konstruktion von Wirklichkeit über zwei gegensätzliche Eigenschaften verfügt: Sie muss konstant sein und sie muss in der Lage sein, sich anzupassen. Wäre sie nicht konstant, müssten wir unsere Erfahrungen immer wieder neu bewerten und deuten. Es gäbe nichts, auf das wir aufbauen könnten. Zur Integration neuer Erfahrungen bedarf es dennoch der Anpassungsfähigkeit. Problematisch wird es, wenn die Wirklichkeit und unser Bild der Wirklichkeit nicht mehr in Einklang zu bringen sind, d.h. das Beobachtete nicht an die vorhandenen Strukturen angepasst werden kann. Es entsteht ein Ungleichgewicht und in Folge das Bedürfnis nach einer Widererlangung eines Gleichgewichts. Dieses Bedürfnis mündet in Anstrengungen, das nicht zu integrierende Phänomen zu erforschen und anschließend die Strukturen der Wirklichkeitskonstruktion dergestalt zu modifizieren, dass das zuvor nicht zu Integrierende nun integriert werden kann. Diese Modifikation der Struktur erhöht den Komplexitätsgrad unserer Wirklichkeitskonstruktion und hebt sie auf eine höhere Ebene der Erkenntnis.
Auch in den komplexeren Bereichen unserer Realitätskonstruktion finden sich die gleichen Mechanismen. Ab einem gewissen Alter haben wir in unserem Bewusstsein eine Vorstellung davon, in was für einer Art von Wirklichkeit wir leben. Wir verfügen über so etwas wie ein Wertesystem, ein Menschenbild. Wir haben eine Antwort auf die Frage gefunden, ob es einen Gott gibt; wir haben uns entschieden, ob wir uns einer Religion zugehörig fühlen, welche politische Richtung die Probleme der Menschen am besten lösen kann, … Diese grundlegenden Vorstellungen sind die Basis unseres Weltbildes. Sie geben uns einen Rahmen und vermitteln uns damit im Chaos des Seins ein Gefühl der Sicherheit. Jeder, der diesen Rahmen einmal partiell oder vollständig verloren hat und das Gefühl der Haltlosigkeit, den Verlust des Bodens unter den Füßen kennt, weiß, wie wertvoll er tatsächlich ist und welche unverzichtbaren Dienste er unserem Bewusstsein leistet. Unser Bewusstsein wird also –  zumindest unbewusst – ein Interesse daran haben, dass diese Grundlagen erhalten bleiben. Die Kräfte in ihm, die für eine Erhaltung des Vorhandenen sorgen, sind entsprechend mächtig. Im Bereich der einfachen Weltaneignung sind wir relativ schnell bereit, unsere Strukturen an unsere Erfahrungen anzupassen; im Bereich dieser elementaren Grundstrukturen ist dies keineswegs der Fall. Entsprechend selektieren und bewerten wir alle Informationen und Eindrücke, die uns erreichen. Die Kräfte, deren Aufgabe es ist, das Gleichgewicht in Balance zu halten, sorgen dafür, dass alles, was unsere Grundlagen bestätigt, sofort integriert wird und das Vorhandene bestärkt. Widersprechendes dagegen – eine potentielle Gefahr für das Gleichgewicht – wird bezweifelt, umgedeutet, mit wenig Bedeutung versehen oder ganz ignoriert; mehrdeutiges wird als eindeutig deklariert.
"You've played a very dangerous game."
"Change always is."
Der Architket & das Orakel
Nur selten geschehen Dinge, die selbst mit einer derartigen Kraft ausgestattet sind, dass sie die Gleichgewichtsbewahrer in uns ernsthaft herausfordern können. Schicksalsschläge jeglicher Art oder andere einschneidende äußere Erlebnisse können ein „Weiter so!“ nicht mehr zulassen. Die Herausforderung des Bestehenden kann aber auch aus dem mysteriösen Inneren unseres Bewusstseins selbst kommen: vielleicht in Form eines existentiellen Bedürfnisses, das schon immer als Splitter vorhanden war, dem es aber bisher an der notwendigen Macht fehlte, um sich durch zu setzen. Durch äußere Einflüsse oder durch eine Schwächung der Bewahrer des Bestehenden könnte dieser Splitter, dieses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, zu einer Macht gelangen, die die elementarsten Grundfesten unserer Realitätskonstruktion in Frage stellen. Das Bewusstsein verliert sein Gleichgewicht! Alles, wirklich alles, was bisher als sicher galt, wird erneut hinterfragt. Es entsteht ein Konflikt zwischen den Bewahrern und den hinter dem Stachel stehenden Kräften. Aus der Außenperspektive mag dieses Geschehen als existentielle Krise verstanden werden; aus der subjektiven Innenperspektive erlebt dieses Bewusstsein eine Phase, die es an den Rand seiner Zerstörung zu bringen scheint.
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4. Das kämpfende Bewusstsein

Die Wachowskis erzählen mit der Matrixtrilogie die Geschichte eines Bewusstseins in Aufruhr. Sie erzählen diese Geschichte als Spiegelung von Minskys Sociaty of Mind: Das Bewusstsein wird als Konglomerat verschiedener Interessengruppen konzipiert, deren Machtverhältnisse sich in ihrem Kampf um die Vorherrschaft im Bewusstsein ändern. Auch externe Bezüge spiegeln die Wachowskis am liebsten im Negativ: Minsky baut auf dem Kampf seiner Akteure eine Theorie auf; bei den Wachowskis wird diese Theorie zu einem der kämpfenden Akteure – dem letztlich unterlegenden! Nicht kleinste Einheiten sondern umfassende Konzeptionen bezüglich der Wirklichkeit und seiner Wahrnehmung symbolisieren die am Kampf Beteiligten. Es stehen sich gegenüber: Rationalismus, Kausalität, Dogmatismus und Nihilismus auf der einen Seite und der Glaube an eine immaterielle Basis des Seins sowie Liebe als elementare Wahrnehmung auf der anderen. Gruppiert um die Dimensionen des Bewusstseins – Körper, Verstand und Geist – fechten sie einen Kampf aus, bei dem es um alles geht. Die elementarsten Grundlagen der Realitätskonstruktion stehen im Begriff zu fallen; das Bewusstsein verliert sein Gleichgewicht, es droht an der Ungewissheit und Haltlosigkeit eines dauerhaften Ungleichgewichts zugrunde zu gehen – wäre da nicht der Auserwählte, der das Destruktive beendet und die drei Dimensionen des Bewusstseins neu zueinander ordnend und ein neues Gleichgewicht kreiert.

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