23. April 1983
Namasté Jiddu
Die Institutionen und
Organisationen überall auf der Welt haben dem Menschen nicht
geholfen.
Wir haben alle die äußerlichen Organisationen für
unsere Bedürfnisse;
die Institution des Krieges,
der Demokratie, die Institutionen der Tyrannei und die Institutionen
der Religionen – sie haben ihre Blütezeit gehabt, und sie bestehen
weiter, und der Mensch sieht zu ihnen auf, sehnt sich nach Hilfe,
nicht nur äußerlich, sondern unter der Haut, in seinem bohrenden
Schmerz, dem Schatten der Zeit und den weiterschweifenden Gedanken.
Seit den frühsten Zeiten hat es Institutionen jeder erdenklichen Art
gegeben, und sie haben den Menschen innerlich nicht verändert.
Institutionen können niemals den Menschen psychologisch, zutiefst
verändern. Und man fragt sich, weshalb der Mensch sie geschaffen
hat, denn alle Institutionen auf der Welt sind von Menschen
eingerichtet in der Hoffnung, dass sie ihm helfen, dass sie ihm eine
Art von bleibender Sicherheit geben. Und seltsamerweise ist das nicht
geschehen. Anscheinend machen wir uns nie diese Tatsache klar. Wir
schaffen mehr und mehr Institutionen, mehr und mehr Organisationen –
und eine Organisation bekämpft die andere.
Das Denken erfindet sie alle,
nicht nur die demokratischen Organisationen oder die totalitären
Organisationen;
das Denken merkt und erkennt
auch, dass das, was es geschaffen hat, die Struktur, das Wesen des
eigenen Selbst nicht grundsätzlich geändert hat. Die Institutionen,
die Organisationen und alle Religionen sind vom Denken aufgebaut
worden, vom cleveren, gescheiten, gelehrten Denken. Alles was das
Denken geschaffen hat, hervorgebracht hat, formt seine eigene
Denkweise. Man fragt sich, wenn es einem wirklich ernst und ehrlich
mit seiner Suche ist:
Warum hat das Denken seine eigene Aktivität
nicht erkannt? Kann das Denken seiner eigenen Bewegung gewahr sein?
Kann das Denken sich selbst sehen, sehen, was es tut, sowohl im
äußeren als auch im inneren Bereich?
In Wirklichkeit gibt es kein
Außen und Innen: Das Innere schafft das Äußere, und das Äußere
formt dann das Innere. Diese Ebbe und Flut von Aktion und Reaktion
ist die Bewegung des Denkens, und das Denken versucht immer wieder,
dass Äußere zu überwinden, und es gelingt ihm, was viele Probleme
mit sich bringt. Indem ein Problem gelöst wird, entstehen andere
Probleme. Das Denken hat auch das Innere geformt, es den äußeren
Anforderungen angepasst. Dieser anscheinend endlose Prozess hat diese
Gesellschaft geschaffen, hässlich, grausam, unmoralisch,
gewalttätig. Und wenn es sie geschaffen hat, wird das Innere zu
ihrem Sklaven. Das Äußere formt das Innere, und das Innere
gestaltet das Äußere. Dieser Prozess vollzieht sich bereits seit
Tausenden und Abertausenden von Jahren, und das Denken scheint seine
Aktivität nicht zu erkennen. Und man fragt sich: Kann das Denken
jemals seiner selbst gewahr sein, dessen gewahr sein, was es tut? Es
gibt keinen vom Gedanken getrennten Denker, das Denken hat den Denker
geschaffen, den Erfahrenden, den Analysierenden.
Der Denker, derjenige, der
beobachtet derjenige, der handelt, ist das Vergangene samt all dem
Erbe der Menschheit – genetisch, biologisch -, den Traditionen, den
Gewohnheiten und all dem angehäuften Wissen. Die Vergangenheit ist
schließlich Wissen, und der Denker ist nicht getrennt von der
Vergangenheit. Das Denken hat die Vergangenheit geschaffen, das
Denken ist die Vergangenheit. Dann trennt das Denken den
Denker vom Gedanken, den der Denker gestalten, kontrollieren muss.
Das aber ist ein Irrtum; es gibt nur das Denken. Das Selbst ist
das „Ich“, die Vergangenheit. Die Einbildungskraft kann die
Zukunft entwerfen, doch das ist noch immer die Aktivität des
Denkens.
Das Denken also, dass dem
Wissen entstammt, hat den Menschen nicht verändert und wird ihn
niemals verändern, denn Wissen ist immer begrenzt und wird immer
begrenzt bleiben. Und so fragt man wieder: Kann das Denken seiner
selbst gewahr werden, Denken, dass unser ganzes Bewusstsein aufgebaut
hat – Aktion und Reaktion, die Sehnsüchte, die Vergnügungssucht,
die ganze Agonie der Einsamkeit und das Leiden, dass der Mensch sich
selbst zugefügt hat durch Kriege, durch Unverantwortlichkeit, durch
gefühllose Egozentrik? Das alles ist die Aktivität des Denkens,
dass das Grenzenlose erfunden hat und den Gott, der im Grenzenlosen
lebt. All das ist die Aktivität der Zeit und des Denkens.
Wenn man zu diesem Punkt kommt,
fragt man das alte, abgenutzte Instrument, das Gehirn, ob es eine
radikale Mutation bewirken kann. Wenn das Denken sich selbst erkennt,
sieht, wo Wissen in der materiellen Welt notwendig ist und seine
eigene Begrenztheit erkennt, dann wird es ruhig, still. Erst dann ist
ein neues Instrument vorhanden, dass nicht von der Zeit oder vom
Denken aufgebaut wurde, dass nicht die geringste Beziehung zum Wissen
hat. Es ist dieses Instrument, vielleicht ist das Wort Instrument
falsch, es ist diese Wahrnehmung, die immer frisch ist, weil sie
keine Vergangenheit hat, keine Erinnerung; es ist Intelligenz, aus
Mit_Gefühl geboren. Diese Wahrnehmung bewirkt eine tiefe Mutation in
den Gehirnzellen selbst, und das Handeln der Wahrnehmung ist immer
rechtes Handeln, klar und präzise, ohne den Schatten der
Vergangenheit und der Zeit.