Er sagte, der Staat nehme dem Individuum durch
seinen Militarismus und seine Flut von Gesetzen nachgerade allen
Lebensraum, es sei dahin gekommen, dass man schon nicht mehr Gott,
sondern den Staat anbete. In den meisten Ländern mische sich der Staat
in das intimste Privatleben seiner Bürger ein, das ginge so weit, dass
ihnen vorgeschrieben werde, was sie zu lesen und was sie zu denken
hätten. Der Staat spüre seinen Bürgern nach, er forme mit gottgleicher
Allmacht ihr Gewissen und dringe damit in den Aufgabenbereich der Kirche
ein. Der Staat sei die neue Religion. Früher sei der Mensch ein Sklave
der Kirche gewesen, jetzt sei er ein Sklave des Staates. Früher habe die
Kirche seine Erziehung überwacht, jetzt tue das der Staat, aber keine
dieser beiden Mächte lasse sich die Befreiung des Menschen angelegen
sein.
Wir sind nicht nur Einzelwesen, sondern zugleich Glieder eines Ganzen, nicht nur Menschen, einsam in Leid und Freude, sondern auch Bürger eines Gemeinwesens. Wenn wir inneren Frieden haben wollen, müssen wir der richtigen Wechselbeziehung zwischen unserem Menschentum und unserer Staatsbürgerschaft innewerden.
Um ein guter Staatsbürger zu sein, genügt es, im Rahmen einer gegebenen Gesellschaftsschablone nach besten Kräften zu wirken. Leistung und Linientreue sind die Eigenschaften, die vom Staatsbürger verlangt werden, sie machen ihn hart und rücksichtslos, so dass er am Ende bereit ist, alle menschliche Gesinnung der staatsbürgerlichen Pflicht zum Opfer zu bringen.
Ein guter Staatsbürger ist also nicht unbedingt ein guter Mensch, dagegen muss ein guter Mensch, in welchem Lande er immer zu Hause sein mag, stets auch ein guter Staatsbürger sein. Weil er in erster Linie gut ist, wird sein Wirken nie antisozial sein, da er sich aus Gewissensgründen nicht gegen seine Mitmenschen stellen kann. Er wird mit anderen Menschen zusammenwirken, ohne jedoch nach Macht zu streben, weil ihm das seine Bescheidenheit verbietet. Er wird sogar große Leistungen zustandebringen, ohne sich der üblichen rücksichtslosen Mittel zu bedienen. Der reine Staatsbürger ist immer bereit, den Menschen zu opfern, der gute Mensch, dem wahre Einsicht am Herzen liegt, lässt diese Torheit des Staatsbürgers nicht an sich heran. So kommt es, dass sich der Staat gegen den guten, den wahrhaft einsichtigen Menschen stellt, aber ein solcher Mensch ist innerlich frei und unabhängig von allen Regierungen und Vaterländern.
Echte Einsicht könnte einer guten Gesellschaftsordnung den Weg bereiten, aber die sogenannten guten Staatsbürger bringen keine Ordnung zustande, in der höchste Einsicht ihren Platz fände. Die Spannung zwischen dem Staatsbürger und dem Menschen ist unvermeidlich, solange der Staatsbürger das Übergewicht hat, jede Gesellschaft aber, die das Menschliche mit Bedacht ertötet, indem sie ihm den Lebensraum nimmt, ist reif für den Untergang.
Wahre Einsicht erkennt jedoch den Vorrang der Gegenwart, ihr bedeutet das Heute alles, das Morgen nichts. Was ist, kann innerlich nur erfasst werden, wenn das Morgen seine Gewalt über uns verliert. Wer dessen innewird, was ist, in dem geht nicht erst morgen, sondern augenblicklich eine grundstürzende Verwandlung vor. Nicht wie wir den Staatsbürger mit dem Menschen in uns versöhnen ist wichtig, sondern ganz allein diese innere Verwandlung. Sobald sie eintritt, hat jede Spannung zwischen Mensch und Staatsbürger ein Ende.
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