Warum nur legen wir so großen Wert darauf, bemerkt, gewürdigt und anerkannt zu werden? Warum sind wir solche Snobs? Warum messen wir unserem Namen, unserer Stellung, unseren Erfolgen und Errungenschaften solche Bedeutung zu? Ist denn der Namenlose verächtlich? Ist es eine Schande, ein Unbekannter zu sein? Warum verzehren wir uns in dem Streben, berühmt und bekannt zu werden, statt uns damit zufriedenzugeben, ganz die zu sein, die wir sind? Ist uns Name, Stellung und Erfolg etwa darum so wichtig, weil wir erschrecken oder schamrot werden würden, wenn wir uns so sähen wie wir sind? Seltsam, wie stark dieses Bedürfnis nach Anerkennung und Beifall in uns werden kann! Im Toben einer Schlacht werden um der Ehre willen die unglaublichsten Taten vollbracht und um des Heldenruhmes willen unschuldige Mitmenschen hingemordet. Dank seiner Herkunft und Wendigkeit oder durch Fähigkeit und Leistung gelingt dem Ehrgeizigen der steile Aufstieg bis in die Nähe des Gipfels – aber schon genügt der erste Gipfel nicht mehr, denn er strebt in der Trunkenheit des Erfolges weiter zu immer neuen Gipfeln, bis er endlich sagen kann: Der Staat, das Geschäft oder was es auch sei, bin ich, ich bestimme über das Geschehen, ich bin die Macht.
Die großen Religionsgemeinschaften bieten dir
ebenfalls Stellungen, Einfluss und Ehre, auch dort kannst du etwas
darstellen, aus der Masse herausgehoben werden und deine Bedeutung
genießen. Oder du wirst Schüler eines hervorragenden Lehrers, eines Guru
oder Meisters und nimmst täglich an seiner Arbeit teil. Auch in dieser
Rolle darfst du dich wichtig fühlen, du vertrittst den Allverehrten, du
teilst mit ihm die Verantwortung, du gibst, und andere empfangen. Zwar
wirkst du nur im Namen eines anderen, aber du bist eben doch sein
anerkanntes Werkzeug. Ob du einen Lendenschurz trägst oder das
Mönchsgewand nimmst, immer bist du es, der sich herausstellt, bist du
es, der sichtbar der Welt entsagt.
Auf die eine oder andere Weise, handgreiflich oder versteckt, dient
alles menschliche Streben der Selbstbestätigung und Erhöhung des Ichs,
Warum bedarf unser Ich solcher Stützung und Bestätigung, auch wenn es
weder asozial noch in irgendeiner Weise fragwürdig ist? Inmitten der
Ängste und Kümmernisse eines Daseins, das uns nur flüchtige Freuden
vergönnt, jagen wir unverdrossen nach äußerer Anerkennung oder innerem
Lohn, obwohl wir wissen, dass uns daraus nur immer neues Leid und neuer
Schmerz erwächst. Wie kommt es zu solchem Widersinn? Der Drang zu
handeln, der uns keine Ruhe lässt und kein Neinsagen duldet, ist nichts
anderes als unser Streben, bewusst da zu sein. Dieses Streben erst gibt
uns das Gefühl, dass wir leben, dass unser Leben einen Sinn hat und dass
es uns mit der Zeit gelingen wird, alles Leid und allen Zwiespalt mit
der Wurzel auszurotten. Wir fühlen, dass wir nichts mehr wären, wenn
unser rastloses Tun zum Stillstand käme. Wir wären dann verloren, unser
Leben hätte keine Bedeutung mehr, also bleibt uns keine andere Wahl, und
wir schreiten weiter durch Elend, Verwirrung und Widerstreit. Zugleich
aber ahnen wir, dass es etwas Höheres gibt, ein anderes Sein, das uns
diesem ganzen Elend enthöbe. Die Folge davon sind nie endende innere
Kämpfe.
Wenn wir imstande sind, diese Leere zu ertragen und im Schatten ihrer Einsamkeit zu leben, dann tritt eine grundlegende innere Umwandlung ein, die aller Furcht ein Ende macht. Voraussetzung hierzu ist das innere Erleben dieses Nichts – das aber solange nicht eintreten kann, wie es ein erlebendes Ich gibt. Wenn wir nämlich den Wunsch hegen, das Nichts, die Leere in uns zu erleben, um sie zu überwinden und darüber hinauszuwachsen, dann kann es nicht zu diesem Erleben kommen, denn das Ich als ›Für-sich-seiendes‹ besteht ja weiter. Sobald das Ich an einem Erleben beteiligt ist, hat der Zustand reinen Erlebens ein Ende. Nur wenn wir das, was ist, erleben, ohne ihm einen Namen zu geben, wird uns die Freiheit von dem, was ist, zuteil werden.
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